Es gibt Unmengen Bücher über Wein und Champagner – viele davon reihen sich auch in meinem Bücherregal. Und sie alle machen Freude zu lesen. Vor allem mit einem Glas des Weines, um den es auf den gedruckten Seiten vor einem geht. Doch ein Highlight und absolute Pflichtlektüre für alle Champagnerliebhaber ist das Buch von Peter Liem: Champagne. Warum Du dieses Buch unbedingt lesen solltest, erfährst Du hier in 4 Minuten.
Ein Amerikaner der Champagne
Peter Liems Geschichte im Weinbusiness beginnt in den 1990er Jahren als Verkäufer für Wein in San Francisco. Dort beginnt auch früh sein Interesse für den Champagner, denn diese Flaschen stehen direkt neben seinem ursprünglichen Themenfeld: Burgund. Schließlich liegen beide Weinbauregionen auch in der Realität dicht nebeneinander.
Schnell wird für ihn klar, dass der schäumende Wein eine ganz eigene Seele hat und nach vielen Reisen entschließt er sich 2006 in die Champagne zu ziehen. Erst nach Dizy und dann später nach Épernay – der Heimat von Moët & Chandon, Perrier-Jouët oder Pol Roger.
Durch seine Nähe zur Region und ihren Menschen hat er einen Einblick, den nur wenige ausländische Journalisten und Autoren haben in diese Region, die wie kaum eine zweite in Frankreich stets durch einen internationalen Austausch geprägt ist.
Peter Liem: Journalist und Buchautor
Dieser Einblick ermöglicht ihm eine tiefe und detaillierte Berichterstattung aus dem Herzen der Champagne und auch einfach die Möglichkeit, mehr Champagner zu verkosten als viele andere seiner Kollegen. Ein wirklich harter Job, der mein ganzes Mitgefühl verdient hat.
So schrieb und schreibt er für das amerikanische Wine & Spirits Magazin, Decanter oder The Art of Eating. Mit champagneguide.net betreibt er seit 2009 einen dezidiert Champagner-fokussierten Blog mitsamt stetig aktuellen Weinbeschreibungen und Berichten. Wer Peter Liem auf Instagram folgt bekommt nicht nur einen Einblick in seine Arbeit und die Kategorie Champagner, sondern vor allem Lust und Durst auf den erotischsten Wein der Welt.
Und was genau hinter Champagner und in den Flaschen steckt, das erfährt man auf detaillierte und unglaublich großartig geschriebene Weise in eben seinem Buch: Champagne – The essential guide to the wines, producers, and terroirs of the iconic region.
Eintauchen in die Geschichte und das Savoir-faire von Champagner
Durch die Tatsache, dass Liem angelsächsisch geprägt und das Herz dennoch in der Champagne verortet ist, scheint sein Blick auf den Wein und seine Geschichte ein fast schon objektiver – soweit dies möglich ist. Weit weg jeglicher romantischer und vor allem marketing-dominierten Beschreibungen geht er auf die Entstehung des schäumenden Weins ein.
Ausgehend von den Römern über die historische Konkurrenz zwischen Burgund und der Champagne (als man dort noch Stillweine produzierte) über die Rolle der Engländer bei der Entdeckung und vor allem Forcierung der Millionen Bläschen – sehr präzise und pointiert führt er durch die Jahrhunderte, ohne dabei allzu sehr den verklärenden Geschichtenonkel zu spielen.
Ebenfalls seine Darstellung des Entstehungs- und Produktionsprozesses von Champagner ist geprägt von geradliniger und akkurater Beschreibung. Auch wenn er sich auf das wesentliche konzentriert, wirkt seine Umschreibung nie unterkühlt und man empfindet die Leidenschaft für das Produkt in den Zeilen.
Doch seine Herzensangelegenheit ist es nicht, uns die technischen Aspekte der Champagnerherstellung zu präsentieren. Ihm geht es – und das wird auch in der Gewichtung der Seitenaufteilung deutlich – um das Terroir der Champagne. Um den Ort, an dem Champagner geboren wird: dem Weinberg.
While the twentieth century was about perfecting cellar practices, the twenty-first century is focused on the region’s vines, and it’s in the vineyards that Champagne’s contemporary philosophical, cultural and intellectual debates are taking place
Peter Liem: Champagne, S. 11
Über Orte und Terroir der Champagne
Schnell wird einem klar, dass es wieder Liems ursprüngliche Prägung durch die Weine des Burgunds ist, die ihn dazu veranlasst, (vor allem) dem Boden seine gesamte Aufmerksamkeit zu widmen. Es ist vor allem die klassische Aufteilung der Lagen anhand der jeweiligen Dörfer, die er – zurecht – kritisiert.
The problem is that these villages are far from homogeneous. Ambonnay, for example, includes 956 acres (387 hectars) of vineyard land spread across a series of ridges. Some parcels are fairly steep while others are nearly flat; some face south, some east or west. Some lie on topsoil 3 feet (1 meter) deep, yet some contain little topsoil, with the chalky bedrock closer to the surface”
Peter Liem: Champagne, S. 92
Kaum ein Buch über Champagner arbeitet sich so detailliert am Terroir und den Unterschieden ab wie dieses. Darüber hinaus bekommt der Leser auch stets wundervolle Beispiele für konkrete Champagner – zumeist aus Einzellagen. Von vielen hat man bis dato nie gelesen oder gehört.
Auch dies ist einer der großen Pluspunkte des Buches: man taucht schier unendlich tief ein, in die Welt der Champagne und lernt viele kleine Hersteller kennen, die nicht nur als Produzenten, sondern auch als Menschen diese einzigartige Region ausmachen. Und dazu auch Ihre Weine.
Menschen machen Wein
The twentieth-century image of Champagne often emphasized brand, marketing, and celebration, sometimes to the detriment of champagne’s identity as a wine. While this is still part of the hegemony, the twenty-first century has brought a more diverse portrait, with both producers and consumers addressing questions of integrity, authenticity, and place
Peter Liem: Champagne, S. 211
Natürlich finden auch die großen Marken ihren Platz in den Darstellungen der Produzenten. Was wäre die Champagne ohne Moët & Chandon, Dom Perignon oder Bollinger.
Aber es sind vor allem die Porträts der kleinen Maisons wie Dosnon, De Sousa oder Lassaigne, die die wirklich spektakuläre Landschaft einer der berühmtesten Weinbauregionen der Welt ausmachen.
Und sie tauchen nicht nur im Text als Beispiele für die jeweiligen Lagen auf. Den Winzern der Champagne ist ein eigenes Kapitel und eine Übersicht gewidmet, wie man sie sonst kaum so präzise und auf den Punkt findet.
All dies – sowie auch das anschließende Glossar – machen Peter Liems Champagner-Buch zu einem der besten zu diesem Thema. Doch ein Aspekt lässt dieses Buch wirklich einmalig werden.
Mehr als nur ein Buch über Champagner
Ein wirkliches Highlight sind die im Schuber befindlichen Larmat-Karten als Faksimile-Druck.
Diese 1944 erstellten Karten sind bis heute die vielleicht detailliertesten Überblickskarten der Champagne. Ursprünglich in seinem „Atlas de la France Vinicole“ (der erste Weinatlas Frankreichs) erschienen, sind die Karten heute nicht nur immer noch ein lehrreiches Dokument – sie sind ein Stück vinophiler Zeitgeschichte und dazu wirklich dekorativ. Die großformatigen Drucke sind eine wirkliche Bereicherung für einen Champagnerfan.
All dies macht das Buch von Peter Liem nicht nur zu einem Standardwerk, sondern wahrlich zu einer Pflichtlektüre für Menschen, die tief eintauchen wollen in die Welt des Champagners, des Terroirs und der Menschen hinter dem Champagner.