Bitters: A spirited history of a classux cure-all von Brad Thomas Parsons ist das wohl grundlegendste Buch über eine der wichtigsten Drink-Komponenten, die viele immer noch gerne vernachlässigen. Doch Bitters sind nicht nur integraler Bestandteil der meisten Cocktails und Drinks. Sie sind auch eine der ältesten Getränke-Kategorien als solche und integraler Bestandteil einer globalen Genusskultur. Erfahre hier in den nächsten 4 Minuten, warum Du dieses Buch unbedingt lesen solltest.
Eine Welt ohne Bitters
Wenn ich mich an meine Anfänge hinter der Bar in den frühen 2000er Jahren erinnere, dann erinnere ich mich auch an genau die eine Flasche Bitters, die irgendwo bei uns in der Bar stand und die irgendwie nie jemand benutzte. Bücher, wie die von Parsons waren undenkbar und Jägermeister galt vielen noch als der beste Kräuterbitter der Welt. Es dauerte eine ganze Weile und die schon viel zitierte Cocktail-Renaissance, damit diese Kategorie nicht nur in mein Bewusstsein kam, sondern in die Rolle zurück, die ihr entspricht.
Aber sind wir doch auch mal ehrlich: in eine mittelprächtige Piña Colada oder einen Sex on the Beach kommt halt auch kein Bitters, sondern Alkohol, Sirup und Saft. Erst mit der Zeit und der Wiederentdeckung historischer Barbücher und Rezepte wurde der Cocktailbitter immer relevanter.
Cocktailrenaissance, Geschichte und ein (glücklicherweise) bitterer Beigeschmack
Und genau dieser Relevanz wird Brad Thomas Parsons gerecht. Sein Buch ist viel mehr als nur eine lose Ansammlung von Drink-Rezepturen, in denen Bitters eine Rolle spielen. Es ist eine grundlegende Monographie zum Thema und beginnt – wie kann es anders sein – mit der Geschichte der Kategorie.
Fest verbunden mit der Geschichte von Drinks entwickelt Parsons eine Erzählung, von der Grundidee bis hin zu historisch relevanten Marken. Heute gibt es viele verschiedene Bittersmarken, doch die vielleicht historisch wichtigsten – Angostura Aromatic Bitters und Peychaud’s Bitters – spielen hierbei eine gesonderte Rolle. Aber auch moderne Firmen finden Beachtung und sind aus heutiger Sicht richtigerweise ein fester Bestandteil der Bitterskultur.
Von Apfel bis Zitrus – eine Anleitung für den eigenen Bitters
Ein spannender und vor allem in den Bars heute gängiger Aspekt ist die Herstellung von eigenen Bitters. Parsons gibt uns 13 verschiedene Bitter-Rezepturen zum nacharbeiten an die Hand, deren Vielfältigkeit von einfachen Zitrus-Bitters wie Grapefruit oder Orange bis zu komplexeren Aroma-Konstruktionen wie Coffee-Pecan Bitters oder Kirsch-Haselnuss-Bitters reicht.
„Gone are the days when a lonely bottle of Angostura bitters held court behind the bar”
Brad Thomas PArsons
Und diese Anleitungen sind allesamt super simpel anzuwenden und auch analogisierbar. Dies liegt vor allem an der Vorbereitung im Buch und der wirklich guten Einführung. Wer hier einmal ein Feuer entfacht hat und auf hoher Qualität arbeitet, der wird so schnell keine Bitters-Flaschen mehr kaufen müssen.
Bitters gehören in Drinks
Kommen wir zur Nutzung von Bitters in Drinks – diesem Aspekt widmet Parsons drei Kapitel, die er aufteilt in „Bitters Hall of Fame“, „Old-Guard-Cocktails“ und „New-Look Cocktails“.
Die Hall of Fame bilden vier wirklich große Klassiker, die heute an jeder Bar zum Standart gehören sollten: der Old Fashioned, der Manhattan, der Champagner Cocktail und der Sazerac. Diese vier Drinks – allen voran Nummer eins und Nummer zwei – waren vor 20 Jahren der Grund, warum es besagte einzelne Flasche Angostura Bitters gab. Und allesamt verdienen es, genauestens betrachtet zu werden. Das liegt nebenbei bemerkt nicht nur an der historischen und aromatischen Relevanz dieser Drinks, sondern auch an den wundervollen Bildern – und dies wiederum gilt für das gesamt Buch.
Im Abschnitt über historische Drinks finden sich viele Rezepturen, die der geneigte Barfly – auch so ein wundervolles Wort aus den 1980er Jahren – noch kennt. Einige davon sind berühmte Cocktails wie der Martini, der Negroni (denn Campari ist ja auch ein Bitter) oder der Pisco Sour. Andere sind eher eingefleischten Bar-Nerds ein Begriff und suchen noch die große Bühne. Für mich sind das unter anderem der Toronto Cocktail, der East India Cocktail oder der Pegu Club. Eine spannende Erwähnung ist der Cuba Libre. Rum Cola und Bitters? Ehrlicherweise musste ich das auch erst ausprobieren aber es funktioniert fantastisch!
Ein wirklich sonderlicher Drink – zumindest auf dem Papier ist der Angostura Fizz. Verlangt die Rezeptur doch ganze 3cl Angostura Bitters. Abgesehen vom kalkulatorischen Aufwand dieses Drinks nötigt es einem schon viel Fantasie ab, sich diesen extreme Geschmack in Kombination mit Limettensaft, Grenadine, Sahne und Eiweiß vorzustellen. Aber mal ganz ehrlich: die Welt gehört den Mutigen!
Und dies ist auch tatsächlich der Modus für das dritte Kapitel, denn hier finden sich Rezepte, die an einer der vielen Bars – vornehmlich in den USA – gemixt wurden und zwischen modernen Twists und Signature-Drinks einzuordnen sind. Es ist also eine tolle Reise an Orte mittels der passenden Drinks. Und genau dieses Konzept lieben wir ja besonders.
Sie gehören aber auch in Essen!
Ein wundervoller Aspekt an Parsons Buch über Bitters ist die Vielseitigkeit und die Reichhaltigkeit in Bezug auf Ideen der Nutzbarkeit. Er gibt nämlich auch wundervolle Tips für die Verwendung von Bitters in Speisen.
Von Rippchen und würzigen Chicken Wings bis hin zu Desserts finden sich ganze 12 Anwendungsbeispiele mit konkreten Rezepturen für den Einsatz der berühmten Tinkturen in der Küche. Und sind wir mal ganz ehrlich – ganz oft wird der Bitter in einem Cocktail ja auch vergleichend erklärt mit Gewürzen in der Küche. Zu Recht, nur dass wir hier noch die Möglichkeit haben, uns allerlei ersonnene Wirkungen gegen Malaria & Co. auszudenken.
Schließlich war es im Jahr 1824 bestimmt kein Old Fashioned oder Manhattan Cocktail, der Dr. Johann Gottlieb Benjamin Siebert in der Venezuelanischen Stadt Angostura veranlasste, den berühmtesten Bitter der Welt zu kreieren. Aber das ist ja bekanntlich das Schöne an der Geschichte von Weinen, Spirituosen und Drinks – die Geschichte bringt immer wieder wunderliche Wendungen mit sich.
Eben jene Geschichte der Cocktail-Bitters ist in Brad Thomas Parsons Buch „Bitters – a spirited history of a classic cure-all“ wundervoll niedergeschrieben und deswegen gehört dieses Buch in jede Sammlung über Bars und Drinks.