Der Bee’s Knees Cocktail ist eine dieser typischen Drinks der 1920er Jahre. Grundsätzlich einfach in der Rezeptur, verworren in seiner Geschichte und leider viel zu wenigen bekannt. Dabei ist er nicht nur ein unglaublich komplexer und delikater Drink, sondern darüber hinaus auch noch einer jener, bei der die Qualität der Produkte ganz bedeutend die Aromatik beeinflusst. Was genau hinter diesem Drink aus Gin, Zitrone und Honig steckt und ob Bienen wirklich Knie haben, erfährst Du hier in den nächsten 7 Minuten. Und habe keine Angst – dieser Drink lässt sich zu Hause super einfach nachmixen. Und die richtige Geschichte dazu hast Du dann auch parat.
Von Flappern, Slang und Konventionen
Die 1920er Jahre sind geprägt vom großen Durst einer Generation junger Menschen, die nach dem ersten Weltkrieg auf der Suche nach Ihrer persönlichen Freiheit und vor allem der Leichtigkeit des Lebens sind. Die Konventionen Ihrer Eltern haben in die historische Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts geführt. Die Welt ist viel zu klein geworden, um darin spießig und angepasst zu sein.
In dieser einmaligen emotionalen Gemengelage fügt sich die in den USA erlassene Prohibition, deren Ergebnis jedoch nicht eine nüchterne und vermeintlich bessere Gesellschaft ist, sondern vielmehr eine, die kreativ und illegal das Verlangen nach Alkohol befriedigt. Und die Prohibition führt auch zu einem regen Austausch zwischen den Kontinenten, deren Zentren von den amerikanischen Großstädten auf der einen Seite und vor allem Paris auf der europäischen Seite geprägt sind. Und irgendwo auf dem Weg zwischen New York oder Denver und Paris entsteht der Bee’s Knees Cocktail.
Sein Name ist Sinnbild eines modernen Slangs der Flapper. Jener Frauen, die mit auffällig kurzen Kleidern und ebenso kurzen Frisuren immer etwas außerhalb der altbackenen Konventionen leben, selbstbestimmt sind und deren Soundtrack der Jazz ist. Wenn etwas ganz besonders extravagant ist, dass ist es eben „bee’s knees“ oder „a cat’s pajamas“.
The 1920s brought us a great many things, notably postwar prosperity, Prohibition, jazz, the flapper, and a few wacky additions to the popular lexicon. […] one such idiom was “the bee’s knees”. Rather than saying something is stuffy like “I think she’s swell”, you could really wow’em with “she’s the bee’s knees
Philip Green, A drinkable feats, S. 32
Der Bee’s Knees als Kind der Prohibition
Eine die populärsten Geschichten zur Entstehung des Bee’s Knees ist die typische Prohibitions-Story über schlechte Qualität der Spirituose und die damit einhergehende Notwendigkeit, diese mit Süße und Säure trinkbar zu machen. Lange Zeit war dies auch die meistverbreitete Geschichte des Bee’s Knees. Der damals in den Hinterhöfen hergestellte Bathtub Gin muss mit zusätzlichen Aromen versehen werden, damit seine aggressive und schlechte Stilistik trinkbar wird. Diese vor allem aus US-amerikanischer Seite tradierte Erzählung kling plausibel, doch ich glaube vielmehr an die europäische Entstehung im Paris der 1920er Jahre.
Put it on the Ritz
Im Zentrum der Pariser Barkultur der Roaring Twenties steht das 1921 eröffnete Café Parisian, die Hotelbar des legendären Hotel Ritz und Ihr Headbartender Frank Meier. Ursprünglich in Österreich geboren, ist er eine der bedeutendsten Figuren der europäischen Barwelt und Gastgeber für so ziemlich alle Prominenten, die der Metropole an der Seine Ihre Aufwartung machen. Und das sind zu dieser Zeit viele!
Hier mixt er einen Drink, der dem Gin Sour als Abwandlung folgt und bei dem der Zuckersirup durch Honig ersetzt wird. Er wird 1936 sein eigenes Mixbuch veröffentlichen („The Artistry of mixing Drinks“; 1936), in dem er den Bee’s Knee wie folgt erwähnt und mixt:
„In shaker: the juice of one-quarter Lemon, a teaspoon of Honey, one-half glass of Gin; shake well and serve”. Hier haben wir eine mehr oder weniger klassische Sour-Rezeptur, die aber schon eine Verbesserung an das Rezept darstellt, das wohl anfänglich gemixt wurde.
Honig ist zu jener Zeit keine allgegenwärtige Barzutat, aber auch nicht neu. Schon 1904 veröffentlich der Pariser Bartender Frank Newmann sein Buch „American Bar“ in dem er Gin und Honig vermischt und mit Soda verlängert.
Ein Drink für eine unsinkbare Frau
Ein etwas anderer Erzählstrang rückt eine gewisse Margaret Tobin Brown in den Mittelpunkt der Entstehung. Die US-Amerikanerin ist Erbin eines Goldminenbesitzer und darüber hinaus eine der 712 Überlebenden des Untergangs der Titanic. Dies bringt Ihr den Spitznamen „The unsinkable Molly Brown“ ein. Sie galt als Philanthropin und war eine der schillernden Damen Ihrer Zeit. Ihre eigene verbrachte sie vor allem mit einem Jetset-Leben zwischen Denver und Paris.
Auf sie soll die Erfindung des Bee’s Knees ebenfalls zurückzuverfolgen sein. Vor allem die Entdeckung eines am 22.04.1929 im Standard Union veröffentlichten Artikels durch den berühmten Cocktailhistoriker Jared Brown legt nahe, dass zumindest ein Teil dieser Geschichte war sein könnte. In diesem Artikel wird über den neuesten Trend des Pariser Nachtlebens geschrieben: Bars, die exklusiv nur für Frauen zugänglich sind. Und Molly Brown ist dort mit Sicherheit zugegen.
Amerikanischer Honig
Doch auch in den USA finden Drinks mit Honig den Weg in die Bücher. Hier ist es die 1930 erschienene (meines Erachtens nach) vierte Auflage (nach 1891, 1900 und 1908) des berühmten „World Drinks and how to mix them“ des ehrwürdigen WM. T Boothby, in dem der Bee’s Knees seine erste Erwähnung findet. Da dies damit sechs Jahre vor dem Buch von Frank Meier erscheint, ging man auf der westlichen Seite des Atlantiks lange davon aus, dass der Drink eben jene Prohibitionsgeschichte ist, die wir eingangs erwähnten. Hier wird im Übrigen erstmals auch Orangensaft als zusätzlicher Bestandteil erwähnt.
Im selben Jahr erscheint die aktualisierte Ausgabe des berühmten und legendären Mixbuches der kubanischen Bartender „Club de Cantineros de la Republica de Cuba“ ein Drink mit dem Namen Honey Cocktail. Dieser Drink ist seiner Rezeptur nach auch eine Sour-Interpretation mit Gin und Honig.
Irgendwo auf dem Atlantik und einer, der ihn nicht mag
Bekanntlich liegt die Wahrheit ja immer irgendwo dazwischen. Die Zeit der Prohibition und der goldenen 20er Jahre ist geprägt von transatlantischen Reisen des Jetsets und der Trinker und Literaten. Und in ihrem Gepäck vermischte sich Gin, Honig und Zitrone zu einem Drink, der dem Zeitgeist entsprach. Nicht zu süß, nicht zu schwer aber dafür komplex. Zumindest in der Abwandlung eines Sours.
Der berühmte Barmixer David Embury, dessen 1948 erschienenes Buch „The fine Art of Mixing Drinks“, zu einem der meistzitierten Kompendien bis heute gehört, war kein großer Fan dieses Drinks. Vor allem die ursprüngliche Version mit gleichen Teilen gilt ihm als ungenießbar. Die Sour-Adaption als akzeptabler Kompromiss.
Seine – wahrscheinlich der Vollständigkeit halber – zitierte Interpretation mit 8 Teilen Gin, 2 Teilen Zitronensaft und einem Teil Honig ist mit die stärkste Rezeptur der Geschichte des Bee’s Knees Cocktails. Aber Embury war auch dafür bekannt, Drinks gerne etwas stärke zu mixen.
Spannend ist hingegen seine Weiterleitung und der Verweis, dass beim Austausch des Gins durch weißen kubanischen Rum der Drink auf einmal Honeysuckle genannt wird und dieser wiederum öfters auch als Airmail Cocktail bestellt wird. Aber dieser großartige Drink soll an anderer Stelle präsentiert werden.
Wie mixt man nun aber einen Bee’s Knees?
Bee’s Knees: Gin Sour mit Terroir
Auch wenn Embury kein großer Fan dieses Drinks war, so finde ich Ihn umso spannender und delikater. Das feine Spiel zwischen kräftigem Wacholder, feiner Säure und der wärmenden Süße des Honigs lassen viel Spielraum für Aromainterpretationen.
Grundsätzlich sollte der Drink als Sour verstanden werden, doch auf Grund der Intensität des Honigs empfehle ich keine klassischen 5:3:2 Rezeptur. Vielmehr sollte man den Drink etwas auf den Gin fokussieren und die Dynamik der Süße und Säure dezent einsetzen. Von daher empfehle ich folgendes Rezept:
- 60ml Dry Gin
- 20ml frischer Zitronensaft
- 15ml Honigsirup
Das Ganze wird auf Eis geschüttelt und doppelt in eine gekühlte Coupette abgeseiht und mit einer Zitronenzeste garniert.
Bei dieser reduzierten und vermeintlich einfachen Rezeptur spielt die Qualität jeder einzelnen Komponente eine Rolle.
Bei der Auswahl des Gins sollte man zwingend klassisch bleiben und einen wacholderfokussierten Dry Gin nutzen. Gesüßte oder fruchtaromatisierte Gins erzeugen hierbei nur eine ordinäre Lautstärke, die die detailreiche Komplexität des Drinks egalisiert. Ein klassischer Tanqueray London Dry ist hier eine gute Wahl. Mein Geheimtipp ist der The Botanist Gin. Mit seiner krautigen Note neben dem Wacholder ist er die perfekte Basis für den Honig. Das musst du unbedingt probieren!
Honig und Honigsirup
Was den Honig anbelangt, so sind zwei Dinge von entscheidender Bedeutung. Zum einen die Qualität des Honigs. Tue Dir selbst den Gefallen und kaufe nur Qualitätshonig. Am besten lokal vom Imker um die Ecke. Dies ist auch in großen Städten möglich. Kleiner Funfact an dieser Stelle: das Ritz in Paris hat seit Jahren eigene Bienenstöcke auf dem Dach und benutzt ausschließlich eigenen Honig im ganzen Hotel.
Du musst nicht gleich zum Imker werden, aber schau, wo Du handwerklichen und lokalen Honig herbekommst. Denn so bist du nicht nur auf der sicheren Seite, was die Qualität und Nachhaltigkeit des Honigs betrifft, du bringst damit auch aromatisch dein persönliches Terroir in den Drink, denn schließlich schmeckt der Honig aus deiner Gegend nach den Pflanzen deiner Gegend.
Jetzt ist die Arbeit mit Honig immer etwas umständlich. Er lässt sich schwer dosieren, verklebt alles und vor allem löst er sich nicht sonderlich gut auf, wenn es in kalte Drinks geht. Von daher mach aus dem Honig einfach einen Honigsirup, dieser lässt sich super vermixen und dosieren.
Dies ist super einfach! Wie das geht, erfährst Du hier!
Honig, Orange und Lavendel zum Frühstück
Ein toller kleiner Twist und damit sozusagen die Daydrinking Variante des Bee’s Knees ist die Zugabe von 1cl Orangensaft in den Drink und das Abseihen auf frisches Eis in einem Tumbler. Als Garnitur verwende dann eine Orangenzeste. Damit rundest Du den Drink etwas ab, reduzierst den Alkohol und mit dem Servieren auf Eis ist der Drink der ideale Begleiter für ein spätes Frühstück am Wochenende und passt hervorragend zu Buttercroissants.
Eine super spannende Interpretation und kleine Abwandlung erzielst Du auch, wenn Du mit etwas Lavendel arbeitest. Hier empfiehlt es sich, den Honigsirup im Vorhinein mit ein bisschen Lavendel zu aromatisieren. Dann allerdings bleibe bei der klassischen Rezeptur und dem Servieren in der Coupette.
Egal wie – probiere den Bee’s Knees unbedingt einmal aus. Er lässt sich super einfach daheim mixen und ist ein wirklich grandioser und komplexer Drink. Oder Du bestellst Ihn einfach in der Bar deines Vertrauens.
Haben Bienen nun eigentlich ein Knie?
Abschließend bleibt noch die Frage zu beantworten, ob Bienen nun Knie haben oder nicht. Bienenbeine sind im Vergleich zu menschlichen Beinen deutlich komplexer und bestehen jeweils aus sechs Segmenten (Coax, Trochanter, Femur, Tibia, Basitarsus und Tarsi). Diese sind über Gelenke verbunden, die zwar nicht wie unsere Knie aussehen, aber eine grundsätzlich gleiche Funktion haben.
Von daher kann man mit Fug und Recht behaupten, dass Bienen Knie haben. Und damit ist die wichtigste Frage auch geklärt.