Malbec-Wein, das klingt nach Steakhaus, dunkler Energie und voller Frucht. Es klingt nach argentinischem Tango und einer relativen Einfachheit. Doch wenn man genau hinsieht, dann erkennt man ein unglaubliches Potential und eine Geschichte, die geprägt ist von Königen und Päpsten und einer unglaublichen Leidenschaft für Terroir. Genau diese Geschichte wollen wir hier in den nächsten 9 Minuten erzählen.
Malbec – ein Wein und tausend Namen
Die Vielfältigkeit von Malbec-Weinen ist wahrlich beeindruckend. Von einfachen, fruchtgeprägten Trinkweinen für unbedarfte Weintrinker bis hin zu komplexen, großen Weinen mit Struktur, findet sich eine Vielzahl von Flaschen. Wobei Letzteres immer noch vielen unbekannt ist, denn das Segment, in dem Malbec stark ist, ist das der unteren bis mittleren Preisklasse. Dabei kann dieser Wein viel mehr. In seiner Vergangenheit war Malbec der Wein der herrschenden Klasse Frankreichs – ja ganz Europas.
In rund 30 Departements wurde Malbec einst in Frankreich angebaut und daher gibt es knapp 1.000 verschiedene Namen dieser Rebsorte. Die bedeutendsten bis heute sind neben dem bekannten Namen Malbec der in Bordeaux gebräuchliche Name Pressac oder die weitverbreitete alte Bezeichnung Côt. Frankreich? Die meisten Menschen würden diese eher dünnhäutige und dafür jedoch äußerst farbintensive Rebsorte eher nach Argentinien verorten. Heute wird global gesehen der meiste Malbec auch dort angebaut, doch die Geschichte beginnt tatsächlich im französischen Südwesten.
Von Römern, Kreuzungen und der Charente
Einst waren es – wie so oft – die Römer, die den Wein wohl in den Südwesten Frankreichs mitbrachten. Irgendwann zwischen 0 und 150 n. Chr. blieben die ersten Rebstöcke auf dem Weg durch Gallien im Südwesten und schufen den Grundstock für einige der bedeutendsten Weinbaugebiete der Grande Nation.
Ob es schon die ampelographische Malbec-Rebe war oder eine der Vorgänger-Varianten ist nicht sicher, die Eltern von Malbec sind jedoch gut zu benennen. Dies sind Magdeleine Noire des Charentes und Prunelard und beide Rebsorten sind heute fast gänzlich verschwunden. Vor allem jedoch die Magdeleine Noire de Charentes hat tiefe Spuren in der Weinkultur hinterlassen, ist sie doch auch die Mutterrebe von Merlot. Und spannenderweise wird die Region der Charente, die namentlich in der Rebe zu finden ist, uns im Laufe unseres Artikels, aber auch in vielen anderen Zusammenhängen (v.a. bezüglich der Thematik Cognac) immer wieder begegnen.
Der schwarze Wein von Cahors
Eine Weinbauregion ist für die Geschichte von Malbec von entscheidender Bedeutung: Cahors – benannt nach der gleichnamigen Stadt in der Region Quercy. Hier am südwestlichen Rand des Zentralmassivs, auf halbem Wege zwischen Bordeaux und Montpellier gelegen, entsteht das erste Zentrum des Malbec-Weinbaus. Damals jedoch und bis heute unter dem vor Ort gebräuchlichen Namen Côt. Berühmt werden die damaligen Côt bzw. Malbec-Weine unter dem bedeutungsschweren Namen „die schwarzen Weine von Cahors“. Dies ist vor allem ein Verweis auf die tief dunkle Färbung der Weine, die bis heute eines der wichtigsten Argumente für den Erfolg von Malbec darstellt. Vor allem auf dem kalksteingeprägten Hochplateau entstanden damals Weine, die selbst die Mächtigen der damaligen Zeit begeisterten.
Eleanor von Aquitanien – Von Macht, Liebe und Malbec
Der erste internationale Siegeszug des Malbecs ist eng verbunden mit dem Namen der bedeutendsten und mächtigsten Frau des gesamten Mittelalters: Eleanor von Aquitanien (1124 – 1204). Sie war als Herzogin von Aquitanien die Ehefrau des französischen Königs Louis VII und ließ sich – was für damalige Zeit fast unvorstellbar klingt – 1152 von ihm scheiden. Im gleichen Jahr heiratete sie Henri Plantaneget. Dieser war Herzog der Normandie, Graf von Anjou und wurde später (1154) zu Henry II – König von England.
Diese einmalige Verbindung sorgte für ein enges Zusammenwachsen Aquitaniens mit England und stellte einen unglaublichen Vorteil für die Erzeugnisse Südwest-Frankreichs dar.
Eleanor selbst war eine überzeugte Anhängerin eben jener schwarzen Weine von Cahors und kann mit Fug und Recht als die erste Markenbotschafterin angesehen werden. Ihre Rolle am englischen Hof sorgte dafür, dass diese Weine zu den Lieblingen des englischen Adels wurden, und dies hielt sich bis in das 19. Jahrhundert hinein.
Eleanor von Aquitanien war im Übrigen auch die Mutter des berühmten Richard Löwenherz.
Der göttliche Beistand
Doch nicht nur auf politischer Ebene wurde der Weg für den Erfolg von Côt bzw. Malbec (noch taucht dieser Name historisch nirgendwo auf) geebnet. Auch von höchster geistlicher Seite erfolgte Beistand. Es war Johannes XXII – Jacob von Cahors genannt, der als Papst von 1316 bis 1334 als höchste kirchliche Instanz dem schwarzen Wein höchste Ehre erwies. So wurde dieser der offizielle Wein für die Kommunion während der Heiligen Messe.
Die Geschichte von Malbec ist geprägt von territorialen Allianzen, Päpsten und Königen.
Und natürlich auch von der Nähe zu Bordeaux, sind es doch nur 240km bis in das Zentrum der wichtigsten Weinstadt der heutigen Welt.
Malbec im Schatten von Bordeaux
Es war die Lage der Stadt Bordeaux, die zu ihrem Erfolg vor allem im Handel beitrug. Sicher gelegen an der Garonne entwickelte sich Bordeaux neben La Rochelle zu dem wichtigsten Handelsort Aquitaniens, was natürlich auch der Ehe Eleanors zu verdanken war. Damals war Bordeaux noch lange nicht das Weinbau-Zentrum, als das wir es heute kennen. Die damaligen Weine – Claret genannt, waren eher dünn und schwach in der Farbe. Schwerer als die Qualität der Weine wog damals der Stolz der Bordelaiser, von dem man sich noch heute überzeugen kann. Und so sollte der aus dem südlichen Cahors stammende Wein dem lokalen auf keinen Fall den Rang ablaufen. Schon gar nicht höherpreisiger verkauft werden. Also sorgten die Bordelaiser Weinhändler dafür, dass Côt deutlich günstiger als ihre eigenen Weine gehandelt wurden. Sehr zur Freude der englischen Weintrinker.
Wieder königlicher Beistand und eine neue Rolle
Im 16. Jahrhundert wurde der Rebe, die wir später als Malbec schätzen werden, eine weitere Ehre zuteil. Der französische König François I., der maßgebend für die Bedeutung der Champagner-Stadt Reims verantwortlich ist, ernennt sie zur Plant du Roi – zur königlichen Pflanze. Versuche, diese auch in der Champagne zu kultivieren scheitern zwar, aber dem Ruhm tut dies keinen Abbruch.
Auch im Haifischbecken Bordeaux gelangt dem Wein mit der Zeit eine neue Rollenzuweisung, die sich vor allem durch die Struktur und die dunkle Farbe bedingt. Die Claret-Weine zwischen Garonne und Dordogne wurden spätestens ab dem 17. Jahrhundert mit dem schwarze Wein von Cahors dunkler gefärbt und noch heute ist Malbec einer der sechs zugelassenen Rebsorten für die berühmtesten Cuvées der Weinwelt.
Bordeaux als das Sprungbrett in den Himmel
Auch wenn dem Malbec in Bordeaux nie die große Bühne geöffnet wurde, so sorgte seine zuverlässige Struktur dafür, dass er von den Winzern geschätzt wurde und von den Trinken genossen. Während heute fast keine großen Weinberge mehr mit Malbec bestockt sind, findet sich bis in das 19. Jahrhundert hinein in nahezu allen Rotwein-Appellationen der berühmtesten Weinbauregion der Welt Malbec.
Und spätestens seit Ende des 18. Jahrhunderts – in den 1780er Jahren taucht vermehrt die Rebbezeichnung Malbec auf. Damals noch als Malbeck geschrieben geht die Benennung wohl auf einen ungarischen Reb-Pflanzer mit eben jenem Namen zurück. Vor allem das 1737 gegründete Weingut Pressac in der Appellation Saint Émilion machte die Rebe populär, so dass bis heute auf der rechten Seite der Garonne zumeist von Pressac gesprochen wird, wenn man über Malbec redet.
Der Sprung in die Neue Welt
Der Stern von Malbec stieg vor allem im 18 Jahrhundert und der Wein eroberte Europa. Nicht nur die Engländer genossen den schwarzen Wein, auch am russischen Zarenhof waren die Weine beliebt. Schon Peter der Große war ein Freund des Weines, nachdem sein Leibarzt damit angeblich ein Geschwür heilte. Seine Nachfolgerin Katharina die Große teilte die Liebe zu Malbec ein Jahrhundert später. Es war die Energie und die Kraft, die den Zarenhof begeisterte. Doch nicht nur im Osten wurde Malbec immer populärer. Viele tausend Kilometer entfernt in der neuen Welt begann eine neue Karriere des so eigenen Weines.
Argentinien auf den Spuren Frankreichs
Dass Malbec in der neuen Welt – vornehmlich in Argentinien so erfolgreich ist, verdanken wir Michel Aimé Pouget, einem französischen Agronomen, der 1840 Frankreich in Richtung Südamerika verließ und als Erinnerung an seine Heimat ein paar Rebstöcke Malbec mitnahm. Nach einem kurzen Aufenthalt in Chile ging er nach Argentinien, wo er mit Domingo Faustino Sarmiento am 17.04.1853 eine Weinbauschule nach französischem Vorbild gründete.
Damals war Sarmiento noch ein einfacher Agrar-Beamter, der aus dem Exil in Chile, den USA und Europa zurückkam, um eine große politische Karriere zu beginnen. Seine Landreform war nicht sonderlich populär bei den Großgrundbesitzern, dennoch wurde er 1868 sogar Präsident Argentiniens und blieb dies bis 1874.
Auch wenn die klimatischen Bedingungen kaum unterschiedlicher sein könnten zwischen Südwest-Frankreich und Argentinien – Pouget erkannte das Potential für Malbec. Vor allem in dem heute so berühmten Anbaugebiet Mendoza.
Er legte den Grundstein für einen globalen Malbec-Erfolg und dies würdigt man seit 2011 mit einem besonderen Tag. Seit 2011 gilt der 17. April als Malbec-Welttag.
Der große Frost von 1856
Während mit Beginn des 20. Jahrhunderts Malbec zu einer wichtigen – wenn auch vorerst regionalen Rebsorte in Argentinien wurde, so verlor er in Europa immer mehr an Bedeutung. Es ist vor allem das Jahr 1956, das dieser besonderen Rebsorte in Bordeaux nahezu den Garaus machte. Genauer gesagt der Februar, in dem es für 28 Tage eine Temperatur von durchschnittlich -10°C hatte. Dieser bis heute unvergleichliche Frost zerstörte die Reben der Region bis in die Wurzeln und vor allem der so empfindliche Malbec konnte diesen extremen Temperaturen von bis zu -28°C nichts entgegensetzen.
Die gesamte Region litt unter der klirrenden Kälte und es mussten viele Hektar Land mit neuen Rebstöcken bepflanzt werden. Aus der Not machte man eine Tugend und entschloss sich, deutlich resistenteren Weinsorten den Vorzug zu geben. So wurde vor allem Merlot anstelle von Malbec gepflanzt.
Auch wenn Malbec bis heute offizieller Bestandteil der Bordeaux-Blends sein kann – war dies das Ende der großen Rolle von Malbec in den berühmtesten Cuvées der Welt und der Beginn einer tatsächlichen Durststrecke.
Der neue Erfolg in Argentienen – ein globaler Trend um Malbec
Selbst in Argentinien sank die mit Malbec bestockte Fläche auf unter 10.000 ha Mitte der 1990er Jahre. Die Bedeutung des Weines war eine lokale und geprägt von einem einfachen Anspruch an den Tafelwein mit der einst so royalen Geschichte. Doch wie Madonna in den 1990er Jahren, so erfand sich auch der Malbec neu. Geschuldet ist dies vor allem einer Öffnung der Märkte der ehemaligen UDSSR, dem Verlangen nach Bordeaux-Weinen und der Suche nach bezahlbaren Alternativen.
Dies ist die zweite Sternstunde des Malbecs – eines Weines, dessen Erfolg vor allem im argentinischen Exil entsteht.
Schnell wird die Rebe zu einer der Lieblinge der globalen Weintrinker, da sie vor allem wunderbar zu der ebenfalls immer populärer werdenden Steak-Kultur passt. Wie argentinisches Rindfleisch wird auch Malbec-Wein aus dem Land der Anden zu einem absoluten Export-Schlager. Und es ist natürlich der Preis, der Malbec für gerade auch ein jüngeres Klientel attraktiv erscheinen lässt. Flaschen über 100€ sind anfänglich völlig unrealistisch – Malbec wird ein Trinkwein. Gut und bezahlbar aber mitnichten einer der Großen.
Auch wenn er in der neuen Welt in wirklich tollen Weinen zu finden ist – egal ob als reiner Malbec-Wein (wie z.Bsp. bei Viña Cobos, Zuccardi, Terrazas oder Achaval Ferrer) oder als Bestandteil berühmter Cuvées wie dem legendären Opus One – einen Oscar für die Hauptrolle scheint auch heute noch in weiter Ferne.
Doch auch in der alten Heimat des Schwarzen Weines gibt es ein Erstarken und eine Hinwendung an Qualität und Terroir, die große Weine mit Beachtung erzeugt.
Ein Wein und zwei Klimazonen
Aber wie unterschiedlich sind nun eigentlich die Malbecs vom Ende der Welt im Vergleich zur alten Heimat? Während in Cahors und Bordeaux der Klimawandel bekanntlich dafür sorgt, dass das Wetter immer wärmer und damit auch kapriziöser wird, finden sich in Argentinien – vor allem in Mendoza – deutlich kühlere Temperaturen. Vor allem der Unterschied zwischen Tag und Nacht ist hier wesentlich dynamischer.
Ganz einfach lässt sich dies nicht erklären, da allein in Mendoza so viele unterschiedliche Mikro-Terroirs zu finden sind, aber grundsätzlich kann man sagen, dass die Weine aus Cahors deutlich dichtere, strukturierte und komplexere Weine mit Aromen von Leder und Tabak ergeben und die Weine aus Mendoza im Allgemeinen etwas fruchtiger sind. Vor allem Brombeeren und Kirschen spielen hier aromatisch eine wichtige Rolle.
Es ist nicht nur das unterschiedliche Klima, das die Weine so anders werden lässt. Malbec generell liebt die Sonne und am Fuße der Anden hat er davon eine ganze Menge. Dazu kommt der enorme Unterschied der Temperaturen zwischen Tag und Nacht – diese sorgt vor allem in Argentinien dafür, dass die Weine die geschätzte Fruchtigkeit haben, aber dennoch eine ausreichende Säure um nicht ordinär kitschig zu werden.
Genau dies ist der Hintergrund für den Erfolg von argentinischem Malbec. Er ist fruchtig aber schafft es, mit einer ordentlichen Säurestruktur dennoch seriös aufzutreten.
Malbec liebt Kalk
Diese Tag-Nacht-Dynamik nimmt mit der Höhe in den Anden natürlich zu und die höchsten Weingüter liegen weit über 1.000 Meter NN. Der Sonne so nah und dennoch kühl – das sind perfekte Bedingungen für Malbec!
In der großen Fläche von Mendoza findet sich vor allem ein durch Sand und teilweise Ton geprägter Boden – hier wächst bei einer guten Drainage ein Wein, der saftig und fruchtig ist. Der perfekte Einstiegs-Malbec und das finanzielle Fundament des argentinischen Weinbaus. Schließlich müssen irgendwo die mehr als 2 Mio. Hektoliter wachsen, die Argentinien als Malbec produziert. Davon geht etwas weniger als die Hälfte in den Export.
Doch die großen Qualitäten wachsen nicht auf dem Sand-Ton-Gemisch. Die großen Malbecs Argentiniens wachsen in größerer Höhe, wo nicht nur das Klima mehr Dynamik erzeugt, sondern wo der Boden vor allem durch Kalkstein geprägt ist. Dieser betont vor allem die Tannin-Entwicklung und lässt Weine wachsen, die ein unglaubliches Reifepotential haben. Schließlich ist Kalkstein auch in Cahors dafür verantwortlich, dass der Schwarze Wein so viel Energie und Struktur bekam und bekommt.
Malbec ist mehr als eine große Alternative
Man könnte stundenlang über Malbec schreiben doch noch mehr Freude macht es, Ihn zu trinken. Und erst dann erschließt sich das wahre Potential und die Vielseitigkeit dieses besonderen Weines.
Er ist ein fantastischer Essensbegleiter und kann in der richtigen Qualität eine wirklich beeindruckende Alternative zu den enorm hochpreisigen Bordeaux-Weinen darstellen.
Und dazu passt er hervorragend zu einem guten Stück Fleisch – auch wenn das nicht unbedingt aus Argentinien kommen muss, sondern lieber vom Bauern nebenan. Und dann ist es eigentlich auch gar nicht so wichtig, dass Malbec eine Alternative ist, denn wie Tango oder die La Albiceleste ist der Malbec einer der wichtigsten Botschafter Argentiniens in der Welt ohne, dass er seine französischen Wurzeln vergisst.