Heute zählt The Botanist Islay Dry Gin zu den populärsten Gins Europas. Und dies trotz seiner Herkunft von einer fast schon schrulligen Insel, die eigentlich für Whisky berühmt ist. Dazu gibt es The Botanist „erst“ seit 2011 und das auch nur in kleinen Chargen, da in der Herstellung bis heute Handarbeit ein wichtiger Bestandteil ist. Aber vielleicht sind es auch genau diese Aspekte, die The Botanist so besonders machen. Besonders im Geschmack, der Herstellung und der Tatsache, dass man diesen Gin einfach lieben muss. Alles was Du über diesen einzigartigen Gin wissen solltest, erfährst Du hier in 8 Minuten.
Islay, Torf und jede Menge Schafe
Die Heimat von The Botanist ist die schottische Hebriden-Insel Islay. Dieses 620km2 große Eiland zwischen Irland und Schottland ist ein einmaliger Ort und ein Mekka für Whiskyliebhaber, denn hier tummeln sich auf kleinstem Raum eine ganze Menge legendärer und glorifizierter Single Malt Brennereien. Darunter die drei großen Namen Ardbeg, Lagavulin und Laphroaig. Diese Destillerien und ihre Malts sind berühmt für Rauch- und Torf-Aromen und daher ganz bestimmt nicht für jedermann gemacht. Das Motto lautet: love it or hate it. Zwischentöne gibt es da selten.
Islay ist eine Insel der Extreme. Sei es in Bezug auf Whisky, aber auch in Bezug auf Wetter und die generellen Lebensumstände. Mittlerweile ist das Funknetz ganz gut ausgebaut, aber noch vor einigen Jahren hatte man digital-zivilisatorisch doch eher seine Ruhe. Stress und Hektik gibt es auf Islay nicht. Das würde auch niemanden der knapp 3.500 Einwohnern stehen. Zumeist Menschen, die man selbst bei gutem Englisch eher schwer versteht, die aber allesamt das Herz am richtigen Fleck tragen. Und Stress und Hektik findet sich auch nicht bei den knapp 30.000 Schafen auf der Insel. Vor allem dann nicht, wenn sich eine Herde davon auf einer der wenigen Straßen der Insel tummelt und man mit dem Auto hindurch möchte.
Die Uhren ticken langsamer auf Islay. Und das ist auch gut so. Und das merkt man auch bei den Brennereien.
Bruichladdich – mehr als nur eine Brennerei
Neben den drei genannten Brennereien gibt es noch weitere sechs. Eine davon im Herzen der Insel ist die legendäre Destillerie von Bruichladdich. Ihre Geschichte beginnt 1881 durch die Gründung der Harvey-Brüder und ist definitiv einen eigenen Artikel wert. Und dennoch müssen wir an dieser Stelle auf die jüngere Geschichte Bruichladdichs eingehen, denn hier wird The Botanist destilliert. Und wahrscheinlich wäre diese Geschichte und dieser Gin auch nirgendwo anders möglich.
Nachdem 1994 die Brennerei schließen musste, wurde sie im Jahr 2000 durch ein privates Investitionsteam wiedereröffnet. Eine der Lichtgestalten der modernen Zeiten und der Initiator der Wiedereröffnung war der Weinhändler Mark Reynier. Seiner Vision folgend konnte eine weitere wichtige Persönlichkeit der Whiskyszene für das neue Projekt Bruichladdich begeistert werden: Jim McEwan.
In dieser kleinen Brennerei bündelte sich binnen kurzer Zeit ein unglaubliches Know-how in Bezug auf Produktion und Vermarktung von Spirituosen. Doch dazu und allem voran wurde ein Ort geschaffen, an dem Nichts unmöglich schien. Eine Art Spielplatz für hochprozentige Träumer und vor allem ein Platz der Leidenschaft an dem sich Tradition und Moderne bis aufs engste miteinander verwoben haben.
Auch wenn das Team um Mark Reynier viel Geld akkumulieren konnte und schnell einen mehr als beeindruckenden Ruf unter Whisky-Connaisseuren erreichte, brauchte man für die bedingungslose Arbeit bei Bruichladdich mehr Geld. Whisky machen ist nun einmal kein schnelles Geschäft. Und das wusste man. Doch da man nachhaltig arbeiten wollte und vor allem nicht zu Lasten der Menschen der Brennerei und der Insel musste man Alternativen finden.
Eine wirklich heiß diskutierte Einkommensalternative war Gin. Schließlich lässt sich dieser deutlich schneller herstellen und verkaufen.
Doch wie sollte man in einer mehr als 100 Jahre alten Whiskybrennerei auf einmal Gin brennen? Und das auf Islay?
Aus der Not eine Tugend machen
Es war vor allem Jim McEwan als Master Distiller, dem diese Idee wenig gefiel. Und dennoch entschied man sich, einen notwendigen Cash-Flow durch die Lancierung eines Gins zu generieren. Viele andere Firmen wären wahrscheinlich mit Hochdruck daran gegangen, diese Situation so finanziell effektiv wie möglich zu meistern. Doch wir sind hier auf Islay – wie schon gesagt: die Uhren ticken hier anders. Und der eigene Anspruch bei Bruichladdich tut sein Übriges dazu, dass man eben nicht mal so nebenbei einen Gin produziert.
Wenn Dinge gemacht werden, dann mit Herz und Verstand und dem notwendigen Respekt. So entschied sich Jim McEwan dazu, die Kategorie Gin genauer zu studieren. Und das geht am besten über Probieren. Unzählige Gins wurden begutachtet und bewertet, um aus dieser Erfahrung zu verstehen, wie man den besten Gin kreieren konnte, den man auf Islay und bei Bruichladdich verantworten kann. Denn das Terroir und die Geschichte verpflichten.
Und so dauerte es knapp zwei Jahre, bis man einen Gin präsentierte, der bis heute Islay, Bruichladdich und seine Philosophie als Progressive Hebridean Distillers auf das beste repräsentiert: The Botanist Islay Dry Gin.
Eine besondere Brennblase
Schnell wurde aus dem großen Skeptiker Jim McEwan einer der größten Fans des Projekts und dies hat bestimmt auch etwas damit zu tun, dass er den Gin entscheidend mitbestimmen sollte, konnte und musste. Und ein Aspekt der Herstellung ist natürlich die Destillation, die bei vielen anderen Gins weltweit selten bis kaum Erwähnung findet. Aber wir sind hier bei Whisky-Machern, da wird sich stundenlang darüber unterhalten, welchen Einfluss die Form der Brennblase auf das Destillat hat.
Es passte da ganz gut, dass man eh in der Brennerei etwas aufräumen musste und Platz schuf für eine Ecke, die ganz dem neuen Projekt Gin gewidmet werden konnte. Doch eines wurde schnell klar, mit den bestehenden Brennblasen von Bruichladdich ließe sich kein Gin herstellen, also musste man hier Abhilfe schaffen.
Und diese Abhilfe kam in Form einer alten Brennblase aus der schon lange geschlossenen Inverleven Brennerei in Dumbarton. Das ist ein Name, den man kaum kennt und doch ist er so ungemein wichtig. Vor allem für The Botanist.
Hier in Inverleven wurde die Lomond-Still entwickelt – ein Destillationshybrid aus Pot Still und Column Still und eine der letzten verbliebenen Brennblasen dieser sehr speziellen und leider nicht wirklich populären Apparatur wurde gebraucht gekauft und nach Islay gebracht.
Die Einzigartige Ugly Betty
Auf Grund ihres speziellen Aussehens und der langen und teilweise seltsamen Geschichte wurde sie „Ugly Betty“ getauft und ist heute überhaupt nicht mehr wegzudenken.
Das besonderer einer Lomond-Still ist ihre Flexibilität. Dadurch dass es keine reine Pot-Still ist, sondern auch eine Art aufgesetzte Kolonne mitbringt, lässt sich der Destillationsprozess fast schon beliebig variieren und so verschiedene Stile nachahmen. Diese technische „Spielwiese“ war es vielleicht, die Jim McEwan schlussendlich von dem Projekt überzeugte, schließlich konnte er hier aktiv die Brennform mitbestimmen und diese zudem noch variieren.
So fing McEwan an, die „Ugly Betty“ für die Ansprüche an „seinen“ Gin anzupassen. Mehrere Kupferplatten (Kupferkontakt macht den Alkohol während der Destillation reiner und damit feiner) wurden hinzugefügt um die Destillation zu verlangsamen. Dieser obere Teil wird heute auch unter vorgehaltener Hand liebevoll „Jims Gattling Gun“ genannt.
Eine weitere – vor allem für die Gin-Produktion – großartige Modifikation durch den Master Distiller ist eine Halterung für die Botanicals im sogenannten Lyne-Arm, jenem Geistrohr, durch das der Alkohol schlussendlich in Richtung Kondensator gasförmig hindurchfließt.
Diese „Ugly Betty“ erzeugt somit den besonderen und einzigartig weichen und zugleich voluminösen Stil von The Botanist.
Doch wenn wir über Gin reden, dann müssen wir auch über die Botanicals sprechen, denn diese geben dem Gin seine ganz spezielle Aromatik.
Foraging what?
Die Botanicals des The Botanist spielen nicht nur geschmacklich eine bedeutende Rolle, sondern schon im Design der Flasche. Ganz prominent findet sich eine 22 auf dem Etikett und diese Zahl steht für die auf Islay heimischen Kräuter, die The Botanist zu einem Foraging Gin machen. Foraging was?
Unter Foraging versteht man das Suchen und Sammeln wilder Kräuter und Lebensmittel. Es ist eines dieser Wörter, die sich kaum bis gar nicht ins Deutsche übersetzen lassen. Aber erklären – und zwar recht simpel.
Von insgesamt 31 verschiedenen Botanicals stammen 22 von der Insel Islay selbst und werden dort im Rhythmus der Jahreszeiten von Hand gesammelt, getrocknet und später in die Gin-Produktion überführt.
Den Ursprung dieser äußerst aufwendigen Methode liegt wieder einmal in der Philosophie der Progressive Hebridean Distillers und der Fokussierung auf das Terroir und die Herkunft von Produkten. Ursprünglich war es ein äußerst liebenswürdiges älteres Ehepärchen – Richard und Mavis Gulliver – die die Kräuter sammelten und in der heimischen Trockenkammer aufbereiteten. Diese Art zu Arbeiten war auch der Wunsch von Jim McEwan und ist bis heute ein wichtiger Schlüssel für die Einzigartigkeit von The Botanist.
Folgende Botanicals stammen von der Insel:
Apfelminze | Kamille |
Blüten der Ackerkratzdistel | Birkenblätter |
Holunderblüten | Ginsterblüten |
Weißdornblüten | Heideblüten |
Wacholderzapfen | Labkrautblüten |
Zitronenmelisse | Mädesüß |
Beifuß | Rotklee |
Grüne Minze | Süßdolde |
Gagelstrauch | Rainfarn |
Wasserminze | Weißklee |
Thymian | Waldsalbei |
Die restlichen und eher klassischen Gin-Botanicals sind: Wacholder, Cassia-Rinde, Angelikawurzel, Koriandersamen, Zimt, Zitronen- und Orangenschalen, Süßholz und Schwertlilie
Nun ist es James Donaldson, der als Head Forager die Verantwortung für die nachhaltige Entnahme der Kräuter aus dem Ökosystem Islay beaufsichtigt. Und ja: noch heute werden diese Kräuter per Hand gesammelt und verarbeitet.
Aus diesem Grund kann The Botanist auch nicht unendlich viel produziert werden – man ist auf die nachhaltige Entnahme der Pflanzen angewiesen und das ist ein Punkt bei diesem Gin, den man vielleicht nicht schmecken kann, der aber im Kopf und im Herzen ein ganz wichtiger Aspekt sein sollte!
Apropos Schmecken und Riechen – wie ist er denn nun, der The Botanist?
Zurück nach Islay
In der Nase scheint er vom ersten Moment an sehr dicht und doch zugleich klar. Wie die Luft auf Islay – getragen von frischem Wind und den torfigen Wassern. Eine großartige und einzigartige Ambivalenz! Der Wacholder ist ganz klar das Leitmotiv, das sich über einer dichten krautigen Wolke präsentiert. Dazwischen finden sich immer wieder feine zitrische Reflexe. Es ist eine atemberaubende Dynamik zwischen Wacholder, frischen Noten sowie Salz und etwas Kalk. Frisch und dicht – Meer, Steine und grünes Moos. Man ist sofort auf Islay!
All diese Aromen sind anfänglich super intensiv und werden mit der Zeit weicher, doch dafür auch tiefer. Während der Wacholder stets deutlich erlebbar ist, wechseln sich filigrane Aromen im Hintergrund ab. Es erinnert zwischendrin an Himbeersträucher (eher das Laubwerk als die Früchte) und immer wieder kommt die Zitrusnote durch.
Das Herz des Gins und einer ganzen Insel
Im Mund wirkt The Botanist erstaunlich cremig und weicher als anfänglich geahnt. Super frische Akzente bekommt er sofort durch eine Idee weißen Pfeffers und dazu ganz klassisch ganz viel Wacholder. Dazwischen finden sich am Gaumen immer wieder Zitrusnoten – bei mir ganz deutlich Grapefruit. Und irgendwie eine Nuance von Kakao. Eine verrückte Kombination, aber eine, die auf der Zunge enorm viel Spaß macht!
Diese Dynamik ist der Knaller und man hat das Gefühl, es würde leicht auf der Zunge pritzeln. Auch die eben schon erwähnten Himbeeren lassen sich wiederfinden und machen sofort Lust auf einen Clover Club oder einen Cosmopolitan nach der 1934er Rezeptur. (Den Artikel werde ich ganz bald schreiben – versprochen!)
Es ist eine enorme Komplexität, die sich da im Mund entfaltet und dessen Frucht-Kraut-Dualität wirklich ein neues Level erreicht. Dabei ist der The Botanist ganz bestimmt kein fruchtdominanter Gin.
Er ist ein eleganter Gin, der aber eine gute Portion Körper mitbringt und einen fortreißt, auf eine Reise in das Herz der Insel Islay. Mir bleibt die Erinnerung der wärmenden Sonnenstrahlen nach einem der so typischen Regengüsse, die ich mittlerweile lange vermisse.
What a Gin!
Was für ein geschmackliches Erlebnis! Mal ganz ehrlich – ich trinke The Botanist relativ häufig entspannt im Gin & Tonic, aber so genau hatte ich mir diesen Gin noch nie angeschaut und verkostet. Ein Fehler, den ich zum Glück abgelegt habe. Dieser Gin ist ganz großes Lichtspiel und gehört in das Repertoire der Must Haves!
Und das Beste ist, dass er so unendlich vielseitig ist durch seine Komplexität. Egal ob in einem Gin & Tonic mit Fever Tree Indian Tonic (meinem persönlichen Lieblingstonic) und einer Grapefruit-Zeste oder in einem der Drinks, die ich schon nannte. The Botanist kann auf jeden Fall auch Martini und Gimlet – und zwar wirklich überzeugend!
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Bruichladdich Distillery
- Alter: k.A.
- Alkoholgehalt: 46% Vol.
- Farbstoff: Nein
- Kühlfiltration: Nein
Vielen Dank an Reidemeister & Ullrichs für die Bereitstellung einer Flasche. Außer Gin ist hier nichts geflossen.