Cognac gilt heutzutage als eine etwas schwer zugängliche Spirituose – mit dieser ersten Annäherung wollen wir einen Weg einschlagen in Richtung der Stadt und der Kategorie. Ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienen, hat diese Skizze eine durchschnittliche Lesedauer von 5 Minuten.
Eine Reise zum Mittelpunkt einer Welt
Es gibt viele Wege, um in das französische Cognac zu gelangen. Mit dem Auto von Paris aus scheint sicherlich nicht der schnellste Weg zu sein, doch definitiv einer derjenigen, bei dem man sich innerlich vorbereiten kann auf das, was man zu erwarten hofft. Cognac – der Nabel der Welt, wenn es um Weinbrände geht. Von hier kommen mehr als 11 Mio. 9L cases aller weltweit verkauften Premiumspirituosen (2015 waren das 136 Mio. 9L cases). Alle benannt nach der Stadt, die von Paris Charles de Gaulle Airport gut 5 Stunden entfernt am Ufer der Charente liegt.
Zeit für Gedanken und Erwartungen
Es geht auf der A10 Richtung Süden und irgendwie erscheint es schon wie eine Verschwendung von Material, diese neue Autobahn. Dreispurig, durch die Maut fast leer und eine permanente Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h. Dem deutsche Autobahn gewöhnten Fahrer in mir juckt es im rechten Fuß, aber nach eingehender Belehrung seitens aller Bekannter halte ich mich an das Tempolimit. Immerhin hat man bei dieser entspannten Reisegeschwindigkeit Zeit, einmal öfter aus dem Seitenfenster zu schauen und die vorbeiziehende Landschaft zu genießen. Es scheint, als bestünde Frankreich nur aus drei Farben. Soweit man schauen kann grüne Felder, dazwischen immer wieder leuchtendes Gelb des blühenden Raps und über allem ein strahlend blauer Himmel. Dieser scheint hier eh viel größer zu wirken als überall woanders. Es scheint zu passen – ein großer Himmel für die grande nation.
Mit dem Passieren von Niort wartet man angespannt darauf, dass sich hinter der nächsten Kurve ein großer Weinberg neben dem nächsten auftut. Schließlich sieht so doch die Vorstellung von der Region aus, aus dem der König aller Brandys kommt. Weinberg an Weinberg – doch nichts. Vereinzelt finden sich Parzellen, doch die großen Zusammenhänge – Fehlanzeige. Kleinteilig ist es. Je näher man sich dem Herzen der Region, der Stadt Cognac nähert, desto geringer werden die Freiflächen, aber die Kleinteiligkeit bleibt. Selbst in den Lagen der Grande und Petit Champagne – den besten Anbaugebieten – findet sich immer ein freier Acker zwischen den einzelnen Weinanbauflächen. Was auf den ersten Blick verwunderlich ist, verdichtet sich immer mehr zu einer großen Gewissheit. Spätestens wenn man in der Stadt Cognac angekommen ist mit ihren gut geschätzten 35.000 Einwohnern ist es schon erstaunlich, wie klein dieser weltberühmte Ort doch ist.
Theorie und Praxis
Wenn 106.200.000 Liter Cognac im Jahr 2015 verkauft wurden (nach offiziellen Angaben des BNIC), dann ist das eine gehörige Leistung – für eine Fläche von ca. 11.000 km^2, wobei nur ca. 800 km^2 für den Anbau von Wein verwendet wird. Das Hantieren mit diesen Zahlen fällt angesichts der Zerstückelung schwer, zumal in Anbetracht der pittoresken Region schon der alleinige Gedanke an Zahlen irrelevant erscheint. Cognac ist magisch – sowohl die Stadt als die Region, als auch das Produkt. Diese Magie zu begreifen ist nicht einfach, vor allem weil man immer geneigt ist, das Produkt mit – in meinem Fall – Whisky zu vergleichen. Das dieser Vergleich jedoch nicht nur hinkt, sondern beiden Produkten ungerecht gegenüber ist, das stellt man sehr schnell fest. Auch wenn es einer tatsächlichen geistigen Arbeit bedarf, dies zu unterbinden. Begreifen ist tatsächlich schwer – das Magische dieses Flecken Erde sollte erlebt werden. Mit allen Sinnen!
Bevor man sich in die Tiefen der Theorie und auch Praxis der Spirituose Cognac stürzt, sollte man sich unbedingt die Zeit nehmen, die Stadt und die Region näher kennen zu lernen.
Der Herzschlag einer Region – das savoir vivre
Man kann Heinrich IV. schon verstehen, wenn er von der Charente als seinem liebsten Fluss im ganzen Königreich schwärmt. Vor allem jetzt, da es langsam Frühling wird und alles in einem frischen weichen Grün erstrahlt und zu neuem Leben erwacht. Der Fluss ist die Lebensader der Region und natürlich auch des Cognacs selbst. Seit vielen Jahrtausenden arbeitet er sich durch den Sandstein, der die wichtige Grundlage für die einzelnen Lagen des Weingebietes bildet und welcher in der Architektur der Gegend unverkennbar ist. Fast alle Häuser sind aus dem gelben Material und versprühen so einen unglaublich mediterranen Charme. Es liegt einfach immer etwas Urlaub in der Luft. Und sowieso diese Luft. Frisch und belebend weht sie einem um die Nase und selbst wenn es regnet – sie erscheint speziell. Dies mag an der klimatischen Besonderheit dieser Region liegen, unweit des Meeres und doch kontinental beeinflusst. Und sie macht hungrig. Und durstig.
Leben wie Gott in Frankreich ist nicht nur eine allseits bekannte Floskel, sondern eine gewisse Grundeinstellung. Sich dieser zu erwehren ist schwer und in erster Linie töricht. Töricht vor allem deshalb, weil man sich selbst um so unendlich viele fantastische Momente des Genusses bringen würde. Es gibt in Cognac ein Restaurant (neben Dutzenden anderen fantastischen Lokalen) – Le Coq D’Or, dessen Besuch ein Pflichtprogramm ist. Direkt am Place François 1 gelegen empfängt die stets gut gefüllte Brasserie einen im Stile eines Pariser Kaffeehauses. Hohe Decken, dunkle Holzmöbel und ein quirliges Auf und Ab der Gäste als auch des Service. Leise isst man hier nicht – es wird gelebt! Die Spezialitäten der Region werden hier zum Besten gegeben und darauf sollte man sich auch einlassen. Pineau des Charentes als Aperitif – hier in Deutschland leider noch reichlich unbekannt – ist eine Mischung aus Wein und eau-de-vie de Cognac, deren fruchtige Süße einem das Ankommen sofort erleichtert. Unbedingt probieren sollte man die Fois Gras, serviert mit gewürztem Frucht-Chutney, etwas Brot und dazu einen der weißen Charente-Weine. Diese bilden mit ihrem eher dünnen Körper und einer omnipräsenten Säure ein fantastisches Pendant zu der nussigen und süßen Komposition der Gänseleber. Sicherlich ein gewöhnungsbedürftiger Wein, doch die Sauvignon Blanc Qualitäten sind äußerst delikat und spannend. Regionalität ist zumeist eh der Schlüssel zu einem kulinarischen Erfolg und so bleibt es nicht aus, prunes au cognac als Dessert zu probieren. Pflaumen eingelegt in Cognac mit Zimt und Nelken gewürzt. Dazu eventuell etwas Vanilleeis und alles ist perfekt. Zum Abschluss – wie sollte es anders sein – ein obligatorischer Kaffee und ein Glas Cognac. Nun beginnt sie, die Qual der Wahl. Während man in deutschen Restaurants im Höchstfall drei bis fünf Qualitäten findet, sind es hier schnell mal 30 bis 40. Und das, obwohl Cognac eigentlich mit 95% eine reine Export-Spirituose ist. Zum Abschluss eins fantastischen Dinners empfiehlt sich eine XO-Qualität. Wie zum Beispiel der etwas würzigere und kräftige Hennessy XO. Fantastisch zum Kaffee.
Vieles gibt es zu erleben und zu entdecken. Und vieles wird neu sein. Eine Reise durch Frankreich – nach Cognac ist niemals nur eine Reise. Es ist ein Anfang – es ist der Anfang einer fantastischen Geschichte, welche weit in die Zeit der Römer zurück reicht, englisch-französische Konflikte kennzeichnet, Cocktailklassiker ermöglichte und uns heute in die Hip-Hop-Clubs der USA führen wird. Cognac ist viel – zuerst und zu vorderste und immer vor allem eines: magisch.