In diesem Beitrag geht es nach New York in das Waldorf Astoria Hotel und an die Bar. Einer der ehemaligen Signature Drinks dieser Hotelinstanz ist der Roof Garden Cooler und wir finden, dass er es bis heute ist! Ein eher vergessener Drink, den man gerade im Sommer genießen muss! Ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienen, hat dieser Beitrag eine Lesedauer von ca. 4 Minuten.
Das Verlangen nach etwas Erfrischendem kennen wohl die meisten von uns. Die ersehnten 27°C des sich langsam abkühlenden Sommer-Nachmittags werden als angenehme Alternative zur brütenden 35°C Hitze des Tages empfunden. Aber das ist alles gar nicht so schlimm, denn schließlich läuft die Klima-Anlage im Inneren auf Hochtouren und nur der Drang in die Sonne zwingt uns dazu, uns mit den tatsächlichen Temperaturen des Sommers auseinander zu setzen. Hochsommer in einer Stadt kann deutlich schlimmer sein – ein Hoch auf moderne Inneneinrichtungen!
Klimaanlagen und automatisierte Rollos, vor 100 Jahren noch Wunschdenken – kühlende Drinks jedoch nicht! Doch beginnen wir die Geschichte über einen langen Zeit vergessenen Drink geordnet und von vorne.
Ortsbegehung
Wir befinden uns im New York des Jahres 1931. An der Park Avenue 301 – Mitten im Herzen von Manhattan. An dieser Stelle eröffnete das legendäre Waldorf Astoria Hotel in diesem Jahr neu, da die alte Lokalität an der 5th Avenue dem Empire State Building – welches im Begriff war, gebaut zu werden – weichen musste. Seit der Eröffnung des dortigen Stammhauses im Jahre 1893 steht der Name Waldorf=Astoria für höchsten Anspruch und puren Luxus. Sowohl in der Qualität der Übernachtung als auch natürlich im Streben um die bestmögliche Versorgung des leiblichen – und geistigen – Wohles der Gäste. Und das ganze ohne Klimaanlage. Dafür war es in der damaligen Zeit weit verbreitet, auf den Dächern der höheren Gebäude Gärten anzulegen. Diese boten neben einem geeigneten Rückzugsort auch ein bisschen Frische und Kühle. Diesem Umstand verdankt der Roof-Garden Cooler seinen Namen. Was genau steckt also nun hinter diesem Drink, der sich – im Gegensatz zu vielen anderen seiner Zeit – als sehr leichte alkoholische Erfrischung entpuppt und an der Bar des vielleicht berühmtesten Hotels New York erfunden wurde?
Alles eine Frage der Betrachtung – und der Recherche
Während der erste Teil des Namens sich klar durch die sehr populären Dachgärten ableitet, ist es mit dem Zusatz Cooler schon deutlich komplizierter. Handelt es sich dabei um eine Drink-Kategorie ähnlich der Sours oder Fizzes? Ja, Nein – Vielleicht. Nach David Wondrich – einem der bekanntesten Cocktail-Historiker unserer Tage – ist ein Cooler zumeist ein erfrischender Drink aus einer alkoholischen Ingredienz, Eis und Soda. Dazu hätte wohl jede Stadt einen bekannten Vertreter dieser Kategorie als lokales Kolorit im Geschehen des Trinkens. Auf das Wesentlichste reduziert also nichts weiter als ein moderner Longdrink. Horse’s Neck, Gin & Tonic oder Cuba Libre sind moderne Vertreter dieser Getränke-Gruppe. Das würde die ganze Geschichte natürlich vereinfachen. Ein leicht alkoholisches Erfrischungsgetränk für jedermann. Es kühlt ab, macht gute Laune und ist dabei so leicht-alkoholisch, dass man gerne noch einen Zweiten und/ oder Dritten bestellen kann – schließlich handelt es sich ja um ein Getränk mit (in diesem konkreten Fall) ausschließlich Vermouth als alkoholische Zutat. Wenn es denn so einfach wäre. Gut, die allgemeine Verträglichkeit lässt sich ohne Zweifel bestätigen. Vermouth hat seltenst mehr als 19%vol. und ist damit sehr bekömmlich, zumal sich noch eine größere Menge alkoholfreien Ginger-Ales dazugesellt. Die Klassifizierung allerdings bereitet erheblich mehr Probleme, denn Cooler ist einfach zu ungenau und oberflächlich.
Im alten Bar-Buch „The Old Waldorf-Astoria Bar Book“ (welches als Reprint in der 1935er Ausgabe vorliegt) lässt sich der Drink auf Seite 80 unter der Rubrik Cooler finden, jedoch nur unter dem Namen Roofgarden. Bitters, ein Brocken Zucker, französischer Vermouth, Eis sowie eine Flasche Ginger Ale werden verlangt. Dahinter befindet sich in Klammern der Verweis Collins.
Ein Collins ist ein alkoholisches Mix-Getränk, welches sich durch die Kombination von Basis-Spirituose, Zucker, Säure und Soda auszeichnet und unterscheidet sich gegenüber einem Fizz nur in der Menge des Fillers. Hier fängt es an, kompliziert zu werden. Während nämlich im 1935er Reprint nicht auf Limettensaft hingewiesen wird, so verlangen alle anderen im Internet zu findenden Verweise diese Zutat – diese wäre als Säure-Quelle für einen Collins auch von immenser Wichtigkeit. Was also nun? Leider gibt es für solche Fragen kein allgemeingültiges Universal-Lexikon, oder doch? Twitter sei Dank wird die Problematik an Mr. David Wondrich weitergeleitet, der tatsächlich innerhalb weniger Augenblicke (es ist bei Ihm 7:25) antwortet. Er identifiziert das Fehlen des Limettensaftes als Fehler, denn in dem 1931 von Albert Stevens Crockett (der gleiche Autor des vorliegenden 1935er Reprints) veröffentlichten Old Waldorf Bar Days wird Limettensaft verlangt, wie auch im Jahr 1934 erschienenen The Waldorf’s 100 Famous Cocktails (beide Angaben auf Basis der Aussage von D. Wondrich, da diese Bücher nicht im Original vorliegen). Diese Aufklärung macht die Sache wesentlich einfacher. Alkohol, Säure, Süße und ein Filler – eine klassische Collins-Struktur.
Cocktail- und Trinkgeschichte können ziemlich aufregend und anstrengend sein, von daher ist eine Erfrischung genau das Richtige. Und diese bietet der Roof-Garden Cooler tatsächlich.
Auf die Erfrischung
Die Basis dieses spannenden Erfrischung-Getränks bildet französischer Vermouth. Diese Formulierung verweist zumeist auf einen trockenen (dry) Vermouth – Noilly Prat zum Beispiel. Roter Vermouth, wie Antica Formula zum Beispiel wird in den älteren Büchern gerne als Vermouth aus Italien eingefordert. Hier treffen die unterschiedlichen Stile der Herstellung aufeinander. Im Falle des Roof-Garden Cooler ist es französischer Vermouth, der in unserem Fall durch einen deutschen Vertreter ersetzt wird: Belsazar Dry. Diesem trockenen, aber dennoch fruchtigen Vermouth wird eine Süße-Säure-Balance zur Seite gestellt. Der Angostura Bitters sorgt für eine gehörige Portion Tiefe. Auf Eis in einem Longdrink-Glas gerührt wird alles mit einem vernünftigen Ginger Ale aufgegossen. Als Garnitur – passend zum Sommer – empfiehlt sich frische Minze, Beeren der Saison und darüber etwas Puderzucker. Das ganze am besten ohne Trinkhalm genießen, denn so ist die Nase „gezwungen“ sich immer wieder der Frische der Minze zu nähern.
Rezeptur
- 50ml trockener weißer Vermouth
- 20ml frischer Limettensaft
- 1/2 Barlöffel Puderzucker
- 1 Dash Angostura Bitters
- Ginger Ale
- Minze zur Dekoration
Abschließend gilt es, sich einfach nur zurückzulehnen, einen Schluck dieser herrlichen Erfrischung zu genießen und zu hoffen, dass die heißen Tage noch einmal zurück kommen werden. Ob nun auf einer Dachtrasse mitten in New York, einem klimatisierten Hotelzimmer oder einfach dem heimischen Balkon: Der Sommer wird mit dem passenden Getränk gleich noch ein Stück weit besser! Wer die Möglichkeit hat, diesen Drink am Ort seiner Entstehung zu probieren, der sollte es tun. Momentan steht der Roof-Garden zwar nicht auf der Karte der drei Bars des Waldorf=Astorias in New York, man weiß dort dennoch um seine Geschichte und eine passende Rezeptur. Dies hat man mir schriftlich (per e-mail) versichert.
Ein herzliches Dankeschön an David Wondrich für seine Unterstützung bei der Recherche in den alten Barbücher des Waldor=Astoria’s sowie Melissa Howard vom Waldorf Astoria New York für die freundliche Beantwortung meiner Fragen.