Rose-Champagner neigen ab und an dazu, kitschig und allzu beerig zu sein – das ist dann wie der lustige Versuch als Teenager besonders verführerisch zu wirken. Retrospektiv betrachtet sieht das immer etwas albern aus. Der jahrgangslose Bollinger Rose ist weder beerig noch ein ein Teenager und besitzt alle Waffen eines Weines um zu verführen. Ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienen, hat dieser Artikel eine ungefähre Lesezeit von 3 Minuten.
Kaum ein Wein umgibt sich mit einer solchen Erotik wie es ein Rosé-Champagner in der Lage ist zu tun. Und wenn man ehrlich ist, dann erwartet man auch eine gewisse Art des liquiden Sex-Appeals bei einem solchen Glas, dessen Erscheinen uns irgendwie zwischen Sommer und großer Liebe hin und her taumeln lässt. Man verzeiht ihm vielleicht mehr als anderen Champagnern einen Hang zum Kitschigen und heimlich wünscht man sich schon so manches Mal einen Teller voller Erdbeeren dazu. Für viele Rosé-Champagner mag dieser Traum zutreffen – für den non-vintage Rosé von Bollinger nicht.
Eine neue Cuvée
Selbst die Existenz einer jahrgangslosen Rosé-Cuvée im Hause Bollinger erscheint wundersam, da die große Patronin Lily Bollinger dies eigentlich ablehnte. Für sie konnte ein Rosé-Champagner – wenn überhaupt nur ein Jahrgangswein sein. Von daher gibt es diesen – Grandé Année – auch erste seit 1976, fünf Jahre nach dem Tod der Dame des Hauses. Bis zu einer jahrgangslosen Interpretation sollte es noch viel länger dauern, schließlich wurde diese erst 2008 auf den Markt gebracht. Es ist eben ein konservatives Haus in Aÿ, bei dem Dinge vielleicht – und zum Glück – manchmal etwas länger brauchen.
Ein rose-farbenes Kleid
Die Basis für diesen Champagner bildet das eigentliche Aushängeschild der Maison Bollinger: die Special Cuvée, der klassische brut sans année. Diese perfekt balancierte Interpretation des Hausstils mit einer deutlichen Dominanz des Pinot Noir wird erweitert durch die Zugabe von fünf bis sechs Prozent Rotwein, der aus den Lagen um Aÿ und Verzeney stammt. Es sind vor allem jene Grand Crus und Premier Crus Lagen, die die Größe der Weine bei Bollinger auszeichnen. Und natürlich die Erfahrung in der Inszenierung des Terroirs – dafür, dass Bollinger ein solch großes Haus ist. Die Nähe zum Burgund und damit die Leidenschaft für die wohl größte aller Weindiven – den Pinot Noir zeigt sich unter anderem auch darin, dass man bis heute bei Bollinger einen eigenen Rotwein aus eben jener Rebsorte gewinnt: den Coteaux Champenois. Hier wird das Bewusstsein für die Tradition roter Stillweine deutlich, ohne die Rosé-Champagner nicht denkbar sind.
Durch diese Zugabe verschiebt sich die Assemblage ein wenig, so dass im Durchschnitt 62% Pinot Noir den Körper bilden und 24% Chardonnay sowie 14% Pinot Meunier die Erweiterung des Blends ausmachen. Analog zur Special Cuvée reifen die Weine nach der Vinifikation der Einzellagen und der Zugabe des Rotweins für mindestens 30 Monate auf der Hefe, bevor sie mit sieben bis acht Gramm Zucker auf der Dosage degorgiert werden.
Eine erwachsene Verführung
Elegant und erwachsen schimmert der Rosé in einem ruhigen, unaufgeregten Altrosa im Glas und zeigt die gewohnte feine Perlung. Die Nase ist bestimmt von den weinigen Aromen, für die Bollinger so bekannt ist und verschont mit überbordenden, kitschigen Fruchtaromen. Ein Hauch dunkler Johannisbeere und etwas Kirsch, dazu erdige Noten und eine Krautigkeit, die an Rosmarin erinnert. Weiterhin Brennesselaromen und die typische Brioche-Struktur des Weins. Hochkomplex zeigt sich dieser Rosé in der Nase mit einer fest eingebundenen Säure, die kaum Zitrusnoten mit sich bringt, sondern gefühlt rein strukturell arbeitet. Dunkle, leicht holzige Noten offenbaren sich mit der Zeit und die Frucht bleibt in der zurückhaltenden Erscheinung.
Im Mund zeigt sich diese schon deutlicher, doch das erste Auffällige ist die schäumende Perlage. So fein und doch fast schon explosiv zeigt sie eine Energie, die man so in all dieser erwachsenen Ruhe nicht erwartet hätte. Dann dunkle Früchte, etwas Dörrobst wie getrocknete Apfelringe. Die direkte Verwandtschaft zur Special Cuvée lässt sich hier nachvollziehbar erkennen. Diese typisch kitschigen roten Erdbeeren vermisst man – nicht. Der Wein wirkt griffig in seiner Textur und dennoch frisch, was sich auf die etablierende Säurestruktur zurückführen lässt, die jetzt auch Zitrusnoten am Gaumen zeigt. Kirschen arbeiten sich am Gaumen ab und dunkle Johannisbeeren. Man bekommt im Nachklang das Gefühl von Sahnebonbons wie Campino – nur halt ohne diese Erdbeernote.
Eine erwachsene Erotik
Es ist ein großer Wein, den man dort im Glas hat – genau so, wie man es von der Maison Bollinger erwartet. Kein jugendlicher Kitsch, keine schrillen Fruchtaromen, die so sehr für den sommerlichen Rosé-Spaß vieler Terrassentrinker stehen. Und dennoch wirkt dieser Rosé auf seine ganz eigene Art und Weise verführerisch. Es ist eine erwachsene Erotik, ein Spiel mit Erwartungen und der Gewissheit, dass man weiß, was man will. Es ist genau diese Art von Rosé-Champagner, die man öfter machen, aber vor allem öfter trinken sollte.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Champagner Bollinger
- Assemblage: ca. 62% Pinot Noir, ca. 24% Chardonnay, ca. 14% Pinot Meunier
- Dosage: 8-9gr./L
- Flaschenreife: 30 Monate
- Alkoholgehalt: 12% Vol.
Es gibt Dinge, die kauft man sich selbst – diese Flasche Champagner zählte dazu.