Mit Espolon kam vor einigen Jahren ein Tequila auf den Markt, der den spannenden Spagat zwischen Tradition und Moderne versucht und dies zu einem fairen Preis schafft. Handwerklich gesehen ein klassischer Tequila, der jedoch den Ansprüchen eines jungen Publikums gerecht wird und aus dem Revolutionären eine Tradition macht. Dieser Artikel erschien ursprünglich auf spirit-ambassador.de und hat eine durchschnittliche Lesedauer von 4 Minuten.
Wenn auf einer Flasche Skelette tanzen, einkaufen, kämpfen und rennen, dann ist die Vermutung, dass es sich bei dem Inhalt um Tequila oder Mezcal handelt, zumeist naheliegend und auch richtig. Das „día de los muertos“ Thema ist so verbindlich mit mexikanischer Kultur verbunden, wie es die Margarita als Drink mit eben jenem Agavendestillat ist, für den Mexiko in der ganzen Welt geliebt wird. Genau dieses Thema jedoch greift wohl keine Tequila-Marke besser auf als El Espolòn aus dem Hause Campari, schließlich verbindet sich hier Tradition und Moderne zu einem Produkt, welches auch genau diesen Konsum-Rahmen bespielen soll. Man will einen Tequila präsentieren, der sowohl pur genossen werden kann als auch in Drinks eine überzeugende Rolle spielt und den Anfang macht Espolòn blanco.
Der Traum des Großvaters und die Vision eines Getriebenen
Die Geschichte der eigentlich jungen Marke Espolòn geht zurück auf das Jahr 1898, als ein einfacher Arbeiter davon träumte, später einmal eine große, vor allem jedoch eigene Agavenplantage zu betreiben. Viele Jahre sollten ins Land ziehen, doch dieser Traum des Don Celso Plascencia erhielt sich und es verblieb dem Enkel – Raul Plascencia, in Andacht an seinen Großvater die Plantage und die Brennerei zu gründen. Viel mehr ist nicht überliefert über die Destiladora San Nicolas mit der offiziellen Zertifikationsnummer NOM-1440. In Arandas im Bundesstaat Jalisco gelegen, produziert man hier seit 1998 Tequila unterschiedlichster Qualitätsstufen. Für die Premium-Produkte Espolòn zeichnet sich Master Distiller Cirilo Oropeza verantwortlich. Sein Ziel war und ist es, einen Tequila zu produzieren, der allerhöchsten Ansprüchen entspricht und sich in dem Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart eingliedert. Es sollte ein moderner Tequila sein, der jedoch seine kulturelle Bedeutung für Mexiko in Genuss und Handwerk widerspiegelt.
Daher hat man sich auch entschlossen, die Brennerei zwar im Stile einer alten, artesenalen Tequila-Destillerie in den Highlands von Jalisco zu errichten, die Technologie jedoch sollte modernsten Ansprüchen – auch in Volumen – entsprechen. Ein Balanceakt, gilt doch Tequila für den Mengenmarkt produziert noch häufig als qualitativ minderwertig. Tradition und Moderne stehen sich hier gefühlt ausschließend gegenüber und doch gilt es sie zu vereinen in einem Destillat, welches zu 100% aus lokalen blauen Weberagaven hergestellt wird.
Aufstand als Tradition
Wenn man sich die Flasche Espolòn blanco anschaut, dann wirkt vor allem die grafische Realisation des Labels ansprechend, doch zugleich macht es auch skeptisch. Wenn man so sehr im Grafischen auf die Geschichte und Tradition Mexikos Bezug nehmen muss, dann kann doch nur etwas mit dem Inhalt nicht stimmen. Allzu oft ist diese Befürchtung in verschiedenen Spirituosen-Segmenten nicht gänzlich falsch. Doch bevor wir uns dem Inhalt nähern, lohnt ein genauerer Blick auf die Flasche, denn es steckt viel mehr hinter den grafischen Elementen als der zwanghafte Versuch mexikanische Authentizität zu generieren. Es sind vielmehr Geschichte, die erzählt werden aus dem Alltag und der Historie des Landes.
Die Grundlage für die Zeichnungen bildet das Leben und Schaffen von José Guadalupe Posada, einem Künstler und Bilddrucker aus dem 19. Jahrhundert. Er gilt als einer der Urväter des día de los muertos Stils. Er ist es auch, den wir in zentraler Rolle auf einem Hahn reiten sehen. Der Hahn ist elementarer Bestandteil der Marke, aber auch der Kultur, verweist der Name Espolòn doch auf die uralte spanisch-amerikanische Tradition des Hahnenkampfes. Der Hahn im Übrigen heißt Ramon. Auf diesem reitend, verjagt Guadalupe die spanischen Besatzer und stellt sich somit in den Dienst des wohl bedeutendsten aller mexikanischen Helden: Miguel Hidalgo, der am 16. September 1810 den Kampf um die Unabhängigkeit Mexikos begann. Ihm ist diese Szene auf dem Etikett des Espolòn blanco gewidmet. Ein moderner Tequila also für einen alten Revolutionär. Viva la Mexico!
Ein charismatischer Revolutionär
Die Energie einer Revolution versprüht der Espolòn blanco schon in der ersten Nase. Direkt zeigen sich Agaven, jedoch nicht schwer süß – wie man es sonst von vielen einfacheren Tequila gewohnt ist; sondern vielmehr mineralisch, salzig und trocken. Es fühlt sich wie ein weißes Rauschen an. Mit der Zeit öffnet sich diese Dichte und weißer Pfeffer und Oleanderblüten zeigen sich. Jedoch bleibt der erste Eindruck einer Knackigkeit erhalten. Diese Trockenheit, ja diese schlanke Erscheinung bleibt bestehen. Feine Gewürze spielen weich gezeichnet eine subtile Kontrapunktion und bauen eine enorme Dynamik aus. Man hat stets das Gefühl, als würde ein Sturm losbrechen aus dem Glas, doch er scheint gefangen zu sein und kann sich nicht befreien. Unglaublich, wie energetisch sich diese Situation in der Nase darstellt.
Im Mund ist er ähnlich trocken von der Struktur wie in der Nase. Die eigentlich so typischen Agavennoten benötigen etwas Anlauf, Salz und Minerale hingegen sind sofort schmeckbar. Wieder kaum breite, saftige Noten, sondern vielmehr die Idee einer stahligen Textur. Auch wenn der Vergleich vielleicht hinkt, aber entfernt erinnert er an die Besonderheit des nordburgundischen Chablis im Verhältnis zu den restlichen Chardonnays. Kühl und stahlig halt.
Eine eigentümliche Kombination ist das Auftreten von trockenem Kakao – besser noch: trockene weiße Schokolade ohne eine Spur von Fettigkeit. Erst mit der Zeit wird der Espolòn blanco fruchtiger und deutlicher im Spiel mit der Agave. Diese scheint nach ein paar Sekunden aufzublühen, doch kann sie die Gewürze, den schwarzen Pfeffer und das Salz nicht überdecken. Er wird dicker und etwas fleischiger in der Textur und auch im Nachklang bleibt ein latent cremiger Eindruck von Kakao und nun auch die Buttrigkeit der weißen Schokolade. Dazu gesellen sich am Gaumen Kräuter und die vage Interpretation von Zitrusnoten wie Yuzu.
Moderne in der Interpretation
Es steckt viel mehr hinter den typisch mexikanischen Attributen auf der Flasche von Espolòn blanco – ein Tequila, der nicht nur hervorragend pur zu genießen ist, sondern der auch durch seine ganz eigene Struktur ein fantastischer Drink-Mixer ist. Vor allem Drinks, welche in ihrer Erscheinung eher schlank auftreten sollen, werden mit diesem Agavendestillat auf eine neue Ebene gehoben. Und dazu ist dieser Tequila auch noch in einem bezahlbaren und kalkulierbaren Rahmen. Eines nur sollte man mit ihm nicht machen: alberne Trinkrituale, die wir aus unseren Studententagen kenne. Schließlich verkörpert er auf ganz moderne Weise die alte und ehrwürdige Tradition der Agavendestillation, für die Mexiko so berühmt war, ist und wohl auf ewig bleiben wird.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Destiladora San Nicolas
- Alter: k.A.
- Alkoholgehalt: 40% Vol.
- Farbstoff: Nein
- Kühlfiltration: k.A.
Vielen Dank an Campari Deutschland für die Bereitstellung der Flasche. Außer Tequila ist hier nix geflossen.