Der Eggnog ist eine jener Traditionen, die leider viel zu sehr in Vergessenheit geraten sind. Dabei ist dieser Drink gerade in der Weihnachtszeit ein absolutes Highlight. Hier erfährst Du alles über die Geschichte dieses sehr speziellen Drinks und wie Du ihn am besten zubereitest. Dieser Artikel erschien ursprünglich auf spirit-ambassador.de und hat eine ungefähre Lesedauer von 6 Minuten.
Es ist diese Zeit des Jahres, die einen besonderen Glanz trägt. Draußen glänzt der Schnee und drinnen die strahlenden Augen der Kinder. Und der Eltern – vielleicht aus später ersichtlichen Gründen. Die Weihnachtszeit ist besonders. Wir verändern uns ein wenig. Wir werden milder, familiärer und wir frönen Traditionen, die uns das restliche Jahr über eher sonderlich erscheinen mögen. Genau diese Traditionen sind es, welche uns verbinden und uns zeitgleich trennen. Jeder hat seine Eigenarten. Sei es ein ganz bestimmter Film oder eine Musik, sei es ein Essen und der gestreifte Strickpullover der Großtante. Tatsächlich Liebe, Drei Haselnüsse für Aschenbrödel oder Walt Disney – die Filmauswahl für die Weihnachtstage kann familiäre Kleinstkrisen auslösen. Und dennoch freuen wir uns wie kleine Kinder auf Weihnachten.
Weniger für jene kleinen Kinder als viel mehr für die Eltern bedeutend ist die Frage nach traditionellen Getränken. Während der heimische Weihnachtsmarkt mit seinen Glühweinständen mehr und mehr zum „Wacken aller Büroangestellten“ (wem auch immer diese treffliche Analogie zu verdanken ist – der nächste Drink geht auf uns!) verkommt, gibt es auf der anderen Seite des Atlantiks eine Tradition, die genauso alt ist, wie sie mittlerweile die Gemüter spaltet: der Eggnog. Eines sei seiner Geschichte vorweg gestellt: dieser Drink ist wunderbar. Begeben wir uns also in den Charles Dickens Weihnachts-Modus und erforschen die Geschichte des berühmtesten Weihnachts-Drinks der Welt.
Eggnog und Weihnachten – ein amerikanisches Duett
Im Jahre 1866 notierte ein englischer Reisender, dass in Amerika die Zeit um Weihnachten ohne einen Eggnog nicht wirklich in Betracht fällt. Jeder stoße mit jedem auf Alles an – mit einem Eggnog. Es ist einer jenen social drinks, die in ihrem Ursprung in großen Mengen produziert wurden um sie gemeinsam – ähnlich, aber doch anders als ein Punch – zu trinken. Auch wenn diese wunderbare Tradition etwas in die Tage gekommen ist, so kann man zwischen Thanksgiving und Neujahr Eggnog als Fertigprodukt im Supermarkt kaufen, schließlich gibt es wohl kein Getränk, welches Amerikaner mehr mit Weihnachten verbinden als diese Mischung aus Eiern, Milch oder Sahne, Zucker, Gewürzen und Alkohol.
Es ist eine der großen Traditionen der Cocktail-Nation und von daher lohnt sich nicht nur eine historische Betrachtung dieser Kategorie, sondern vielmehr auch der Mut, diesen Drink selbst zu probieren und ihn – sollte man eine der wenigen Bars finden, in denen er hierzulande saisonal angeboten wird – unbedingt zu probieren!
Europäische Wurzeln und Amerikanischer Twist
Die Ursprünge dieser amerikanischen Instanz liegen – wie so oft – in Europa, genauer gesagt im mittelalterlichen England. Dort tranken schon vor vielen Jahrhunderten die Mönche ein Getränk aus warmem Ale, sowie Gewürzen und der Zugabe von Milch oder sogar Eiern. Diese Mixtur nannte man Posset. Auch wenn es für unsere Zeit schwer vorstellbar ist, so war damals die Verwendung von Milch und Eiern etwas Besonderes, da man diese kaum haltbar machen konnte und daher in den Städten diese Produkte ein Zeichen für Wohlstand waren.
So galt ein Posset zu jener Zeit als ein Getränk der wohlhabenden Gesellschaft, welches man auf die Gesundheit und die körperlichen Kräfte trank. Auch der Name Eggnog hat seine Wurzeln in England, wo man im östlichen Teil ein sehr starkes Ale braute, welches sich nog nannte. Weiterhin gab es in den lokalen Tavernen ein kleines, hölzernes Trinkgefäß, dass sich noggin nannte. Die Verbindung von Bier und Eiern wird mit dem Eggnog zum Ausdruck gebracht.
Auf den Schiffen der Gründerväter kam dieses Getränk mit in die neue Welt und wurde dort wahrscheinlich relativ schnell populär, da man alte Gewohnheiten schwer ablegt und Milch als auch Eier auf Grund der agrarischen Struktur deutlich günstiger waren als im mittlerweile sich industrialisierenden England der frühen Neuzeit. Während im alten Europa Ale durch zumeist fortifizierte Weine wie Sherry oder Madeira substituiert wurde, kam in Neuengland Rum dazu. Schließlich gilt das Melasse-Destillat als die ursprünglichste Spirituose des neuen Amerikas. Irgendwann kam Brandy dazu, doch erst spät setzte sich Whiskey durch. Traditionalisten verpönen von daher bis heute die Verwendung von Getreide-Destillaten in ihrem Eggnog.
Rum spielt auch etymologisch eine spannende Rolle bei der Entstehung des Eggnog, da gemischte Rumgetränke früher oft als Grog bezeichnet wurden und eine weitere Theorie besagt, dass auch „Egg and Grog“ irgendwann egg’n’grog und später Eggnog wurde. Wahrscheinlich verweben sich alle diese Geschichten zu dem heute so berühmten Namen.
Eine Hausfrau und ein Präsident
Wie populär Ei-Getränke in der amerikanischen Neuzeit waren, lässt sich unter anderem an dem ersten Haushaltsbuch in Amerika erkennen. Im Jahre 1742 veröffentlichte Eliza Smith ihr „The compleat Housewife“, welches auch das erste Kochbuch der neuen Welt war und in dem ein Rezept für einen traditionellen Posset notiert wurde: „Take a quart of cream, and mix it with a pint of ale, then beat the yolks of te eggs, and the whites of four; when they are well beaten, put them to the cream and ale; sweeten it to your taste, and slice some nutmeg in it; set it over the fire, and keep it stirring all the while; when it is thick, and before it boils, take it off, and pour into the bason you serve it in to the table“.
Schlussendlich ist dieses Rezept bis heute die ungefähre Basis in Bezug auf Milch, Sahne und Eier für jeden Eggnog, sofern er wie ursprünglich gedacht als größere Menge für eine Gruppe hergestellt werden soll.
Doch nicht nur für Hausfrauen waren alkoholische Getränke mit Eiern ein bedeutendes Thema. Auch für Präsidenten. George Washington – generell kein Kostverächter und selber Destillateur – bevorzugte einen Eggnog, welcher es durch die großmengige Zugabe von Rye, Rum und Sherry gehörig in sich gehabt haben soll.
Heiß und kalt
Neben dem Einfluss der Spirituosen stellt die Temperatur einen wichtigen Entwicklungsschritt dar. Sind Posset grundsätzlich warme Getränke, so wird der amerikanische Eggnog zunehmest kühler. Selbiger oben erwähnte Engländer vermerkt weiterhin, dass diese überall getrunkenen Getränke kalt zubereitet und serviert werden. Ihm schien dies damals erstaunlich, doch schon ein Jahrhundert zuvor muss der Eggnog äußerst populär gewesen sein. Im Jahre 1755 schrieb Jonathan Bouder ein Gedicht, in dem erstmals der Name Eggnog fixiert wurde.
Fog-drams i’ th’ morn, or (better still) egg-nogg,
My palate can regale…
At night hot-suppings, and at mid-day, grogg,
Dieses Gedicht wurde zwar erst 1788 in einer Zeitung in New Jersey abgedruckt, aber dennoch hilft uns dieser Glaubensbruder die gesellschaftliche Bedeutung dieser wärmenden Getränke zu verstehen. Selbst wenn sie kalt serviert werden, so geben sie Kraft und Energie, schließlich sind sie reichhaltig, würzig und alkoholisch. Eine beeindruckende Trilogie – gerade an Weihnachten.
Eine warme Variante des Eggnog stellt der Tom-and-Jerry dar. Hierbei wird eine Art Grundsubstanz aus Zucker, Eiern, Rum und Gewürzen erzeugt, bis diese eine teigartige Konsistenz hat. A la minute wird dann ein Wenig dieser Masse genommen und mit Brandy und heißem Wasser vermixt und nochmals abgeschmeckt. Auch wenn Jerry Thomas in seinem Bartender Manual von 1862 diesen Drink gerne als seine Erfindung verkaufen möchte, so liegen die Wurzeln deutlich früher und der Name leitet sich wohl ab von einem in den 1820er Jahren von Pierce Egan geschriebenen Buch „Life of London: or Days and Nights of Jerry Hawthorne and his elegant friend Corinthian Tom“, welches ab 1821 im Adelphi Theater in London unter der Regie von William Moncrieff aufgeführt wurde und ab 1823 auch in New York gespielt wurde. Der Drink Tom an Jerry diente wahrscheinlich mehr als PR-Gag um die Theater zu füllen und wurde später von Jerry Thomas aufgegriffen. Unbestritten jedoch ist, dass er ihm zu deutlicher Berühmtheit verhalf.
Aufstände und glitzernde Augen
Eine andere Berühmtheit erlebte die Kategorie der Eggnogs an der Militärakademie von West Point. Der neue Schulleiter Colonel Sylvanus Thayer verschärfte 1826 die Regeln der Akademie und verbot unter anderem Alkohol. Nachdem jedoch ein Weihnachtsabend ohne Eggnogs für die damaligen Kadetten unvorstellbar war – wohl auch heute noch – schmuggelten diese wohl Unmengen an Alkohol in die Kaserne und mischten sich ihren Drink selber. Nachdem sie dabei erwischt wurden, kam es zu einer Auseinandersetzung, bei der einiges an Schaden entstand und wofür 19 Kadetten von der Akademie geschmissen worden sind. Glück hatten dabei zwei besondere Schüler, die verbleiben durften: Jefferson Davis und Robert E. Lee. Wie wäre wohl die Geschichte verlaufen, wenn diese späteren Anführer der Konföderierten auch der Schule verwiesen wurden. Der Eggnog jedoch blieb zumindest Lee in Erinnerung, hatte er doch sein ganz persönliches Rezept dafür mit Brandy und dunklem Rum.
Allein in Amerika gibt es unzählige Familienrezepturen für den Eggnog. Doch nicht nur dort ist er populär. Auch in Lateinamerika – vor allem in Venezuela oder auch auf Trinidad – ist er bekannt als Ponche Crema.
Moderne Interpretationen
Heutzutage ist es nicht so gut bestellt um diese uramerikanische Instanz weihnachtlichen Genusses. Während Ei heutzutage für Sours und Fizzes äußerst populär ist, darbt die Bekanntheit des Eggnogs dahin. Während es in den USA sicherlich zum guten Ton dazugehört, diesen saisonal anzubieten ist es hierzulande schier unmöglich. Doch wie schon eingangs erwähnt: befindet man sich auf der Seite jener, die diesen Drink schätzen – so gibt es fast nix bessere über die Feiertage zu genießen. Sorgt er doch mit enormer Verlässlichkeit für ausgelassene Stimmung. Selbst auf den langweiligsten Familienfesten.
Für die bevorstehenden Feiertage empfehlen wir eine Abwandlung des Baltimore Eggnogs:
- 10ml Madeira
- 30ml Remy Martin VSOP
- 20ml Appleton Estate 12 Jahre
- 1 Ei
- 1 Teelöffel Vanillezucker
- 10ml Sahne
- 20ml Milch
- 1 Prise Muskat
Dies alles auf Eis shaken und in ein Glas seihen. Straight up servieren und mit Zimt garnieren.
Und dann können in bester Dickens Manier noch so viele Ebenezer Scrooge um Sie herum sein.