Dieser ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienene Artikel beschäftigt sich mit der Geschichte und Stilistik einer der berühmtesten Brennereien Schottlands und einer Ikone der Insel Islay: Lagavulin. Die durchschnittliche Lesedauer beträgt 5 Minuten.
Salz liegt in der Luft und eine kräftige Brise umweht die Nase, während zur Linken weite Felder die Landschaft vor den Hügeln prägen und nach rechts blickend sich das Meer aufspielt, als wäre es eine Broadway-Premiere der besonderen Klasse. Wenig ist los auf dieser so wichtigen Straße an der Südküste der sagenumwobenen Insel Islay. Wir fahren nach Osten, von Port Ellen kommend in Richtung Kildalton Cross und während man die Zufahrt von Laphroaig passiert, erahnt man schon das Ziel dieser kurzen, aber eindrucksvollen Fahrt über die wohl wichtigste Whisky-Insel der Welt hin zu dem Ort, der nach Alfred Barnard der vielleicht romantischste Platz Schottlands sei – zumindest um Whisky herzustellen. Viele Menschen werden dieses Jahr den Weg finden zu dieser kleinen Brennerei in der Mulde, wo die Mühle steht (lag a’mhullin), denn diese feiert 2016 ihr 200jähriges Bestehen. Doch die Geschichte der vielleicht bekanntesten Islay-Brennerei beginnt viele Jahre zuvor, als sich Steuereintreiber kaum hinauswagten und die Insel die Heimat von Fischern, Farmern, Schwarzbrennern und Schmugglern war.
Von vergangenen Zeiten, alten Weggefährten und neuen Konkurrenten
Das offizielle Gründungsjahr 1816 stellt nur einen Zwischenschritt in der mehr als erfolgreichen Geschichte Lagavulins dar, verweisen die ältesten Überlieferungen doch auf das Jahr 1742, denn seit dieser Zeit wird in der Bucht verbrieft Whisky hergestellt. Damit kann Lagavulin sich mit dem inoffiziellen Titel der wahrscheinlich ältesten Brennerei Islays rühmen – zumindest inoffiziell. Im Schatten der Ruinen von Dunyvaig Castle – der Burg der Lord of the Isles, die im Februar 1615 durch die Kanonenkugeln des Sir Oliver Lambert zerstört wurde – brannten bis zu 10 Familien schwarz ihren Whisky und verdienten sich ihren Lebensunterhalt. 1816 gründete John Johnston in eben jener Bucht 1816 eine kleine Brennerei die – so wollen es einige Quellen – den Namen des nahegelegenen Kildalton Cross trug. Ein Jahr später gesellte sich in der Bucht eine weitere kleine Destillerie – gegründet von Archibald Campbell – mit dem Namen Ardmore (nicht zu verwechseln mit der 1898 bei Kennethmont in Aberdeenshire gegründeten Ardmore Destillerie) dazu.
Campbell entstammt direkt den Schwarzbrennern Islays und seine Familie hat eine mehr als 30 Jahre währende Erfahrung in der Herstellung von Whisky. Aus dieser direkten Nachbarschaft sollte alsbald eine Partnerschaft werden, deren Erfolg auf lange Sicht nicht zu erahnen war. 1825 übernahm Johnston als einer seiner Zeit weit vorausdenkenden Business-Männer die kleinere Brennerei von Campbell und ab dem Jahre 1837 – dem Jahr der Zusammenführung – spricht man mehr oder weniger unisono über Lagavulin. Die Marke war geboren und dem Erbe Johnstons, seinem Sohn Donald, war ein Grundstein gelegt und als er 1836 starb, standen seiner einstigen Gründung wechselvolle Zeiten bevor.
Alsbald – 1852 – wurde die Brennerei an den Glasgower Geschäftsmann John Graham verkauft. Seit dieser Zeit lagern viele Fässer schon nicht mehr auf Islay, sondern in der Nähe der Blending- und Abfüllungshallen auf dem schottischen Festland. Doch diese Verbindung erwies sich als kurzlebig. Nach nur 15 Jahren der Bewirtschaftung verkaufte dieser Lagavulin weiter an James Logan Mackie & Co., welche umgehend mit der Sanierung der Brennerei begannen. Heilvolle Zeiten brachen an, vor allem nachdem 1889 Peter Mackie die Geschäfte von seinem Onkel übernahm. „The restless Peter“ wie er ehrfürchtig von seinen Zeitgenossen genannt wurde war ein dem Whisky aufs Blut verbundener Geschäftsmann. Nicht nur, dass er seinen eigenen Blend (White Horse) weltberühmt machte, er setzte sich mit einem Weitblick schon zeitig für eine Vernetzung der Whiskyindustrie ein. So wurde er 1891 Shareholder der Craiggelaiche-Distillery in der Speyside und war auch in der Definitions-Debatte um Scotch Whisky zwischen 1905 und 1909 stark beteiligt. Er setzte sich unter anderem für ein Mindestalter zu Gunsten der Qualität von Whisky ein, welches schließlich 1915 realisiert wurde.
Lagavulin & Laphroaig – Mehr als nur Nachbarn
Nicht nur vorausschauend war er, sondern sich auch dem Wettbewerb bewusst. Insbesondere dem der direkten Nachbarschaft gegenüber. Die nur ein Jahr ältere Destillerie Laphroaig, welche viele Jahre ihren Whisky ebenfalls über die Glasgower Handelshäuser in kollegialer Eintracht mit Lagavulin verkaufte (seit 1847), schickte sich an, wirtschaftlich eigene Wege zu gehen. Dies missfiel dem umtriebigen Mackie und auf nicht ganz gentlemen-hafte Art und Weise drückte dieser seinen Unmut aus. Er blockierte schlichtweg den Wasserzufluss zur benachbarten Brennerei und eröffnete so einen später gerichtlich geschlichteten Streit.
Seitens Laphroaig warf man dem erfolgreichen Betreiber vor, den eigenen, rauchig-torfigen Stil kopiert zu haben und dieser antwortet auf seine ganz eigene Art. Er eröffnete 1908 einfach eine weitere Brennerei auf dem Gelände, welche die Messlatte für Rauch und Torf neu definieren sollte: Malt Mill. Hamish Scott, der ehemalige Destilleriemanager von Ardbeg soll einmal behautet haben, dass die Killns von Malt Mill pro Tag das an Rauch sehen, was jene von Lagavulin in einer Woche abbekämen. Sich davon geschmacklich zu überzeugen, fällt sehr schwer, denn Abfüllungen von Malt Mill sind eigentlich nicht mehr auffindbar. Angeblich befindet sich eine Flasche noch im heutigen Managerbüro, eine Flasche der letzten Produktion im Juni 1962. Damals schloss die Malt Mill Brennerei und ihre Stills wurden in die Produktion von Lagavulin integriert. Das heutige Visitor Center befindet sich in den Gebäuden der alten Brennerei. Peter Mackie hat dies nicht mehr erlebt, er starb 1923 an Krebs.
Es gibt nur wenige Scotch-Brennereien, die ihren Whisky als eigenen Malt verkaufen und Lagavulin kann von sich behaupten einer der bekanntesten zu sein
Alfred Barnard
Auch die Übernahme durch die Distillers Company Limited 1927 erlebte dieser nicht mehr, die jedoch ein bedeutender Schritt für die weitere Geschichte dieser Islay-Brennerei war. Mit dieser Übernahme wurde aus der mehr oder weniger organisch-chaotischen Ansammlung an Gebäuden über die Jahre eine in sich geschlossene Brennerei – allerdings nicht ohne große Ereignisse. Laute Ereignisse.
Eine Explosion im Jahre 1952 sorgte für erhebliche Schäden, doch wie so oft erwachsen aus Asche neue, wundervolle und stärkere Triebe. Innerhalb weniger Jahre wuchs Lagavulin zu einer großen und strahlenden Perle an der Südküste Islays und wurde immer populärer. Mit der Zusammenlegung der Hauptbrennerei mit Malt Mill wurde einiges effizienter gestaltet. Auch das mittlerweile teure und umständliche Mälzen erfolgt seit 1974 bei Port Ellen.
Ein besonderer Stil für einen berühmten Whisky
Dinge ändern sich, doch einiges bleibt. Seit jeher fließt das braune, torfige Wasser der Sholum-Seen hinunter Richtung Meer und bildet die Grundlage für die Whiskys von Lagavulin, deren Stil unverkennbar sind. Wieder ist es Alfred Barnard – Autor der ersten systematischen Brennereibeschreibung aus dem Jahre 1887 – der schon frühzeitig das Besondere darin sah und beschrieb. „Es gibt nur wenige Scotch-Brennereien, die ihren Whisky als eigenen Malt verkaufen und Lagavulin kann von sich behaupten einer der bekanntesten zu sein“ [Alfred Barnard; S. 78].
Dieser eigene Stil hat nicht nur etwas mit dem Wasser zu tun, sondern vor allem mit den Brennblasen. Diese ja fast geraden Birnen ermöglichen eine ungeheure Dynamik in Bezug auf den Aufstieg des Alkohols. Da es eigentlich kaum Kondensationsmöglichkeiten an der Brennblase gibt, steigt ein dichter Schwall Alkohol ohne große Hindernisse auf und ermöglicht so einen starken Übertrag der schweren, erdigen und phenoligen Aromen. Von daher ist es notwendig, sehr sorgsam und vor allem langsam zu destillieren. Ein Brennvorgang beträgt daher knapp 10 Stunden und führt zu einem äußerst breiten Cut von 72%vol. bis 59%vol. Davor erlaubt man seiner Maische eine rund 55stündige Fermentation. All dies führt zu dem Aroma, welches einen der bekanntesten schottischen Whiskys auszeichnet und der seit 1988 fester Bestandteil der Classic Malt Collection von Diageo ist, dem heutigen Eigentümer Lagavulins.
Eine beeindruckende Geschichte von 200 Jahren, die ganz sicher weitergeschrieben wird. Vielleicht langsamer als andere, aber dies ist sehr typisch für diese Insel. Hier nimmt man sich die Zeit und Ruhe, die es braucht, um Dinge zu tun. Genießen gehört dabei auf jeden Fall dazu!