An einem Mojito kommt man nicht vorbei – will man auch gar nicht. Einer der beliebtesten Sommer-Drinks macht es einem jedoch nicht immer leicht. Vor allem die richtige Zubereitung ist entscheidet darüber, ob man das Grauen im Glas hat oder eine kubanische Instanz. In diesem ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienenen Artikel erfährst Du alles über den Mojito. Die durchschnittliche Lesezeit beträgt dabei 8 Minuten.
„Mojito? You should try it!“ Mit dieser Aussage vermochte es Pierce Brosnan als James Bond in ‚Die another Day‘ 2002 die atemberaubende Halle Berry zu verführen (die berühmte Szene, als sie im orange-farbenen Bikini aus dem Wasser stieg). Und er hat damit definitiv recht! Einen Mojito sollte man mindestens einmal in seinen Leben getrunken haben, die wenigsten jedoch können es bei einem belassen. Er gilt als der älteste Cocktail Kubas und wird auf der ganzen Welt geschätzt, gemixt und getrunken. Jede Bar hat ihn im Programm, doch allzu häufig wird er geradezu verunstaltet. Dies liegt – neben vielerlei nicht verständlicher Gründe – auch daran, dass kaum jemand weiß, wie es zu diesem Drink kam und wo seine Wurzeln liegen. Hinter der Mischung aus kubanischem Rum, Limette, Zucker, Minze und Eis verstecken sich eine Menge Geschichte, Geschichten und Gesprächsbedarf. Wie so oft gibt es keine triviale Entstehungsgeschichte und wie ebenfalls sehr häufig muss man weit zurück schauen, um die Ursprünge zu erkennen. Bestellen wir uns einen Mojito und machen uns auf nach Kuba. Oder zumindest erst einmal nach Groß Britannien.
Drachen mit Goldsucht und Bauchschmerzen
Das damalige England wird durch die protestantische Krone Königin Elisabeth I. regiert und befindet sich in einem Konflikt mit dem katholischen Spanien unter Phillip II. Neben der Religion ging es auch um die Hoheit in den neuen Kolonien jenseits des Atlantiks. Mit Kaperbriefen ausgestattete Kapitäne plünderten im Namen der jeweiligen Krone nicht nur Schiffe, sondern auch Handelsposten und ganze Städte. Sehr erfolgreich darin war ein gewisser Sir Francis Drake aus dem englischen Devonshire. Auf einer Kaperfahrt von 1585 bis 1586 überfiel er sehr erfolgreich die unter spanischer Kontrolle stehenden Städte Santo Domingo und Cartegna, bevor die heutige Hauptstadt Kubas – Havanna sein nächstes Ziel sein sollte. Doch aller kriegerischen Erfahrung und Ausrüstung zum Trotze musste der Angriff abgesagt werden, denn an Bord der Schiffe unter Drakes Kommando waren Ruhr und Skorbut ausgebrochen. Schlechte Verpflegung und hygienisch katastrophale Bedingungen führten nicht selten zu Krankheiten und so verschwand am 27. Juni 1586 die englische Flotte aus den Gewässern der Stadt. Das Gold bekamen sie nicht, wohl aber ist davon auszugehen, dass bei Ihren Raubzügen aguardiente auf die Schiffe gelangte und neben vielen tropischen Krankheiten auch das Wissen um deren Heilung.
Eines der populärsten Naturheilmittel der Region in damaliger Zeit war das gute Kraut – hierba buena; uns heute bekannt als Minze. Dessen magenberuhigende Wirkung ist spätestens seit 1753 bekannt und wurde zu einem Heilgetränk namens Julepum Stocmachicum [William Lewis: The New Dispensatory; zit. in: Miller & Brown: Cuban Cocktails] verarbeitet. Hierbei wird Minzwasser mit Zucker und Alkohol vermischt, eine Rezeptur die uns stark an einen bekannten Cocktail – den Mint Julep – erinnert, doch dazu später mehr.
Ob Drake Minze genoss, ist nicht überliefert, aber es muss eine wundersame Heilung stattgefunden haben, denn er überfiel auf dieser Fahrt noch das im heutigen Florida liegender St. Augustine. Auch wenn in Summe diese Plünderfahrt finanziell ein Desaster war, so war sie politisch enorm wichtig und Drake kam als Held nach England zurück. Schließlich hatte er der spanischen Krone erheblichen Schaden zugefügt. Dies war auch der Grund, warum sich eben jener spanische König Phillip II. dazu entschied, ein Kopfgeld auf den englischen Freibeuter auszuloben: 20.000 Dukaten, was heutzutage wohl ca. £4 Mio. entsprächen und den Ruhm Sir Francis Drakes immens steigerte und ihm den mit Furcht verbundenen Namen ‚El Draque‘ einbrachte – der Drache.
Mojito? You should try it!
James Bond in: Die another day
Eine Verbindung zu dem Mojito unsere Zeit lässt sich erst wesentlich später finden. Im Jahre 1833 wird eine Geschichte veröffentlicht („El Cólera en La Habana“) in der von einem Getränk die Rede ist, welches sich Draquecito nennt. Hierbei wird aguadiente und Zucker miteinander vermischt. Weder Limette noch Minze findet sich darin, doch ähnliche Getränke gibt es in ganz Lateinamerika. Die Frage ist, wann Limette und Minze den Weg in das Getränk fanden, oder ob sie es nicht längst schon taten und die Überlieferung des Draquecito eine verkürzte Darstellung ist, denn seit spätestens 1740 wusste man in der britischen Marine um die Wirkung von Zitrusfrüchten auf hoher See gegen Skorbut. Überliefert jedoch ist, dass man El Draque spätestens ab 1800 sowohl mit Minze als auch mit Limette zu sich nahm. Und man hatte die Wahl zwischen Rum und Gin.
Von Rickeys, Collinses, Fizzes und Daiquiris – Der Versuch einer Struktur
Mit den wohl berühmtesten Barmännern der Zeit – Jerry Thomas und Harry Johnson – sind die USA das Zentrum gemixter Drinks. Dem Zweiteren verdanken wir die Überlieferung einer Drink-Kategorie, die eventuell eine der Wurzeln des heutigen kubanischen Klassikers sein könnte: dem Rickey. Dieser unterscheidet in seinem Bartender’s Manual zwischen Gin und Whiskey Rickey, wobei beide Drinks abgesehen von der Spirituose identisch zubereitet werden. Eis, Limette und Spirituose werden in ein Glas gegeben und mit Soda aufgefüllt. Der Erfrischung dienend wird auf die Zugabe von Zucker zumeist verzichtet. Erst 1910 ist aus der Bar La Concha im Hotel Balneario eine Rickey Rezeptur überliefert, die auch Zucker als Konterpart vorsieht, also eigentlich eine Art Collins darstellt. Bleibt man bei der Annäherung über eine solche Rezeptstruktur verwirrt ein Blick in das 1937 veröffentlichte Cafe Royal Cocktail Book völlig. Hier lassen sich zwei Drinks finden, deren Namen uns eigentlich an einen anderen berühmten kubanischen Drink denken lassen: Daiquiri. In dieser Rezeptsammlung jedoch gemischt als Fizz oder Sour verlangen beide Limetten oder Zitrone, Zucker, Daiquiri Rum (kubanischer Rum). Beide werden geschüttelt und mit Soda aufgegossen. Nur in Glaswahl und Garnitur unterscheiden sich beide. Diese eigentlich grundlegende Sour-Rezeptur mit Soda verlängert taucht schon 10 Jahre früher auf Kuba selber als Mojo Criollo auf: Rum, Zitrus und Zucker. Wieder fehlt die für unseren Mojito so bedeutende Minze. Diese kommt über einen Umweg in das Getränk, der weiter oben schon angedeutet wurde.
Die Südstaaten und ihr berühmtester Drink
Neben der Süß-Sauer Kombination aus der Schiene Rickey und Co. erhebt einer der bedeutendsten US-amerikanischen Drinks Anspruch auf sein Zutun bei der Entwicklung des Mojitos: der Mint Julep. Originär nach Cognac verlangend verbinden sich hier Spirituose, Zucker, Minze und Eis zu einem erfrischenden Getränk, welches nach Jerry Thomas auch fantastisch mit Brandy, Gin oder Whiskey funktioniert. Spätestens seit 1915 und der Erwähnung des Ron Bacardi Juleps im Manuel del Cantineros wird dieser Drink auch mit kubanischem Rum interpretiert. In der 1932er Ausgabe des berühmten Sloppy Joe’s Barbuch ist der Mojito der erste erwähnte Drink und fällt unter die Kategorie Bacardi Drinks – hierunter subsummieren sich alle Rum-Drinks. Zu einem Teelöffel Zucker, einer halben Zitrone und einem Teil Rum gesellt sich Selterz Wasser, Minze und Zitronenschale, welches in einem Highball auf cracked ice serviert wird. Auch in der weltberühmten La Florida Bar wird in der 1935er Karte auf diese Art und Weise ein Mojito Criollo angeboten. Auch auf cracked ice und mit Bacardi. Erst in der 1936er Ausgabe von Sloppy Joe’s wird explizit Limettensaft verlangt.
Mojito – eigentlich ginlos, oder?
Sowohl der Rickey (und seine Derivate) als auch der Mint Julep ermöglichen in ihren Grundzügen die Verwendung anderer Spirituosenklassen neben Rum und, als wären es heutige Bartender, mischte man damals neben dem Mojito Criollo No. 1 – dem heutigen Klassiker mit Rum – auch noch eine zweite Variante: mit Gin. Erstaunlicher Weise erfolgt auch in diesem Fall ein ganz eindeutiger Brand Call. Es wird in beiden Rezeptsammlungen dezidiert Gordon’s Dry Gin verlangt.
Havanna – Die Cocktailmetropole der Welt
Für die Wahrnehmung des Mojitos als wohl bekanntester Drink Kubas sorgten vor allem zwei Dinge. Zum einen die US-amerikanische Prohibition, die Havanna zur wohl berühmtesten „offshore cocktail lounge“ (so formulierte es einmal der bekannte US-amerikanische Journalist Wayne Curtis) der USA machte. Zum anderen die durch die Prohibition nach Kuba reisenden Literaten, Journalisten und Trunkenbolde. Dieser Schlag Mensch lässt sich zusammenfassend darstellen durch einen der wohl berühmtesten amerikanischen Romanautoren des 20. Jahrhunderts: Ernest Hemingway. Auf seinen regelrechten Sauf-Patrouillen durch die Hauptstadt Kubas – Hemingway kam 1939 erstmalig dorthin – trank er viel. Sehr viel.
Vor allem zwei Bars hatten es Ihm angetan. Die schon erwähnte Florida Bar, wo er seinen Daiquiri genoss und das heutige Zentrum des Mojito-Kultes: die Bodeguita del Medio. Jene wurde 1942 durch Angel Martinez gekauft und bekam ihren heute gültigen Namen 1950. Neben Hemingway zählt das eigentlich als Restaurant eröffnete Objekt Berühmtheiten wie Pablo Neruda, Nat King Cole oder Salvador Allende zu seinen Gästen. Doch der Autor von „Der Alte Mann und das Meer“ ist tief verwurzelt in der Geschichte dieser Bar. Denn angeblich nur dort trank er seinen Mojito. So schrieb er es selbst an die Wand. Betrunken. Dafür ist dieser Trinkstätte in der Altstadt Havannas heute ein Pflichttermin für Touristen und Trinker und so etwas wie das Mojito-Mekka.
Knoblauch oder Voodoo?
Heutzutage kennt diesen Drink jeder, doch dennoch scheitert es manchmal an der korrekten Aussprache. Komplexer als die phonetische Artikulation – zumindest vor dem Vierten – ist die etymologische Herkunft des Namens. Und natürlich gibt es auch dafür verschiedene Theorien und Ansätze. Die kolonialistische und damit spanisch geprägte Überlegung verweist auf die bekannte Mojo-Sauce, welche ihren Ursprung wohl maurisch-iberischen Raum findet. Diese Limettensauce jedoch verlangt grundlegend nach weiteren Zutaten wie Knoblauch, Kumin, Koriander oder Chili und ist sensorisch ziemlich weit weg von der herben Erfrischung des Mojitos. Eine andere, näherliegende Theorie fokussiert sich auf den religiösen Background der Sklaven auf den karibischen Plantagen. Santeria – eine Mischung aus Katholizismus und dem indigenen Glauben der Sklaven kennt ein Ritual, bei dem aus einem Beutel ein Getränk aus Kräutern, Gewürzen und Mineralien zu sich genommen wird. Dieser mojo Zauber soll vor allem Glück bringen, Liebe und Geld. Und er soll die bösen Geister und Dämonen vertreiben. Spätestens nach dem dritten Mojito sollte das mit dem Glück funktionieren – zumindest fühlt es sich besser an. Ganz nebenbei eröffnet diese Namenstheorie auch noch eine weitere generelle Entstehungsgeschichte des einen Nationalgetränks Kubas.
Auf der Suche nach der Wahrheit gibt es keine Antwort
Das viele Wege nach Rom führen ist bekannt, dass ein einziger Drink so viele Geschichten zu erzählen hat nun auch. Welcher nun der richtige Ansatz ist oder – und das ist wahrscheinlicher – beide Entwicklungen parallel stattfanden wird wohl niemals geklärt werden. Auch die Frage nach dem richtigen Rum ist eine solche. Die Geschichte der großen Rumfamilien Bacardi und Arechabala (Havana Club) ist eine eigene Erzählung wert und soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Beide Rums machen einen fantastischen Mojito und schlussendlich ist dies dann privater Gusto, dem es zu folgen gilt. Oder auch nicht. Dennoch gibt es einiges zu beachten bei der Zubereitung eines guten Mojitos.
Dinge, die es zu beachten gilt
Was macht nun einen guten Mojito aus? In erster Linie die Qualität der Produkte. Minze, Limette, Rum, Zucker und Eis. Alle fünf Zutaten erfordern ein Verständnis und Sorgfalt in der Verarbeitung. Folgende Themen sorgen (leider noch heute) regelmäßig für Gesprächsbedarf:
1.) In einen guten Mojito kommt keine Frucht, sondern ausschließlich Limettensaft, da beim Stößeln später Bitterstoffe aus der Schale freigesetzt würden.
2.) Die Minze wird nur ganz leicht angestoßen, um die ätherischen Öle freizusetzen. Sie sollte in Ihrer Struktur erhalten bleiben und unter keinen Umständen kaputt gehen.
3.) Auch wenn manche Leute das Knirschen mögen – es gehört kein brauner Zucker in einen Mojito, sondern nur weißer Rohrzucker. Der vor allem in Deutschland beliebte braune Rohrzucker ist das billigste Produkt bei der Zuckerherstellung und kein Kubaner würde solch billiges Zeug in seinem Drink haben wollen. Des Geschmackes und des Anspruches wegen.
4.) Kein crushed cce! In den ursprünglichen Rezepten ist nicht von crushed ice die Rede, sondern von cracked ice. Das ist ein großer Unterschied. Cracked ice ist vergleichbar mit kleinen Eiswürfeln, hingegen crushed ice komplett zerstoßenes Eis bezeichnet. Der Mojito würde damit unendlich schnell verwässern. Also Eiswürfeln den Vorrang geben.
Rezeptur
Hier nun ein Rezept für einen mehr oder weniger klassischen Mojito:
- 50ml weißer kubanischer Rum
- 30ml frischer Limettensaft
- 2 Barlöffel weißer Rohrzucker
- 2 Zweige Minze
Das Ganze in ein Longdrinkglas geben, leicht anstoßen und mit Eiswürfel füllen. Anschließend mit Soda-Wasser aufgießen, kurz umrühren und mit Minze und Limette garnieren. Auf einen Trinkhalm kann hier zu Gunsten der Minze in der Nase (und dem Verzicht von crushed ice) getrost verzichtet werden.
Anschließend einfach die Sonne aufsuchen, Hemingways „Inseln im Strom“ lesen und den Sommer genießen.
Um mit Mr. Bond zu schließen: „Mojito? You should try it!“