Boodles Gin war und ist ein klassischer Underdog, den leider so kaum jemand auf dem Schirm hat, dessen Geschichte und Stil jedoch bemerkenswert sind und seine Fähigkeit in einem Nachmittags-Martini unglaublich. Ein Gin, den man einfach immer zuhause haben kann. Ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienen, hat dieser Artikel eine ungefähre Lesezeit von ca. 3 Minuten.
Dass der Hauptstadt Englands ein gewisser Charme der Eleganz und des „very british“ obliegt, erlebt man wohl spätestens bei der ersten Martini-Cocktail Bestellung in solch berühmten Bars wie dem Artesian oder dem Night Jar. Londoner Chic ist immer etwas verbunden mit Benimm und gehobener Eleganz – ganz im Stile der alten britischen Monarchie. Nirgendwo auf der Welt lässt sich die gepflegte Attitüde des elaborierten Gentlemans so sehr zelebrieren wie in der Stadt an der Themse. Und während sich jetzt auf diversen Mode-Blogs Empfehlungen für die richtige Mischung aus Lord, Dandy und Rockstar finden ließen und sicherlich ihren Weg nach Deutschland schon lange gefunden haben, verhält es sich mit den passenden Getränken dazu… nun: sehr ähnlich. Wahrscheinlich ließe sich dieser Querschnitt durch das elaborierte Establishment durchaus zu einer Einigung führen – Hauptsache diese Einigung bestünde aus Gin. Das Wacholder-Destillat ist und bleibt das Destillat des anfänglichen 21. Jahrhunderts und London noch immer dessen Hauptstadt. So auch in diesem Falle.
Von wahren Gentlemen und klassischen Drinks
Der Ursprung dieser Geschichte lässt sich im London des Jahres 1762 verorten, genauer gesagt in der 49-51 Pall Mall. Dort wurde durch Lord Shelburn, dem zukünftigen Marquees of Lansdown und britischen Premierminister ein Gentlemens Club gegründet, dessen Oberkellner ein gewisser Edward Boodle war. Dieser Gentleman wurde später zum Namenspatron des ehrwürdigen Etablissements erkoren, dessen Türen sich nur für die gehobene – zumeist konservative – oberste Klasse öffneten.
Adam Smith, David Hume oder Winston Churchill zählten zu den Gästen genauso, wie der Autor und Erschaffer der wohl bekanntesten Kriminalfigur der Welt: Sir Ian Fleming. Doch von der Gründung des Clubs – heute befindet er sich in der 28 St. James Street – bis zur Erschaffung des gleichnamigen Gins sollten noch einige Jahre vergehen. Erst 1845, 15 Jahre nach der Patentierung des Coffey-Still-Verfahren wurde diese liquide Interpretation britischen Understatements geschaffen, denn die trockene, dem englischen Humor nicht ganz unähnliche Auswahl der Botanicals und die Fokussion auf einen sauberen Brand waren nun mal erst mit der Weiterentwicklung der Destillationstechnik möglich.
Britisches Understatement und elegante Gradlinigkeit
Neben dem klassischen Wacholder finden ebenfalls typische Botanicals wie Koriandersamen, Angelikawurzel als auch Angelikasamen, Cassia sowie Kümmel den Weg in das Destillat. Erwähnenswert und weniger typisch hingegen ist die Kombination aus Muskat, Rosmarin und Salbei – vor allem für die damalige Zeit. In einem Vakuum-Stil wird das Gemisch destilliert und ermöglicht so eine hocharomatische Komposition. Das Weglassen von Zitrusfrüchten stellt wie bei einem weiteren bekannten London Dry Gin hier eine Besonderheit dar, die jedoch keineswegs einen leeren Platz offenbart.
Der erste Eindruck der Nase ist: klassisch! Ein elegantes Aroma von Wacholder, ätherische Öle (welche an Nadelgewächse erinnern) und eine feine Pfeffrigkeit. Understatement und Charme beschreiben es wohl am besten. Eine leichte Frische schwebt über dem Grundgerüst, welche entfernt an Zitrus erinnert und doch angenehm unprätentiös daherkommt. Eine fantastische Struktur, die sich auch im Mund fortsetzt. Salbei und Rosmarin übernehmen das Zepter und lassen in ihrem Gefolge eine weiche Süße aufkommen. Erst spät lässt sich das schwere Bett aus Wacholder entdecken, über dem hin und wieder feine Zitrusnoten fliegen, die sich mit Sandelholz paaren.
Die Textur wirkt äußerst cremig und trägt das warme und weiche Aroma des Wacholders, das sich durch feinste Spitzen von Waldaromen auffrischt bis weit an den Gaumen heran. Dort verbleibt für lange Zeit eine deutliche Frische. Grüne Kräuter als Obertöne und süßer Wacholder dahinter runden den eleganten und klassischen Auftritt dieses London Dry Gins perfekt ab.
Rule Britannica – rule my Martini!
Vielleicht handelt es sich beim Boodles British London Dry Gin um einen der wenigen fast perfekten Gins. Das ist natürlich immer eine persönliche Einstellung. Aber eines sei gewiss: auch in Drinks bringt dieser Gin überdurchschnittlich viel Freude für all jene, die es weniger aufgeregt und dennoch überzeugend und ausdrucksstark mögen.
Von Martini bis zum Gin & Tonic weiß der Boodles seine Stilsicherheit auszuspielen. Diese Stilsicherheit ist leider nicht vielen bekannt und von daher fristet er neben vielen lauteren und knalligeren Produkten seiner Kategorie ein kleines Schattendasein. Aber ganz der englische Gentleman zieht es Ihn nicht auf die große Bühne, sondern er nutzt einfach jede kleine Chance, um von seiner Qualität zu überzeugen – ohne dabei übertrieben zu wirken. Geben Sie diesem netten Herrn eine Chance – er wird Sie nicht enttäuschen. Schließlich hat er schon Sir Winston Churchill zu gefallen gewusst.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Grenall’s
- Alter: n.n.
- Alkoholgehalt: 40%. Vol.
- Kühlfiltration: k.A.
Vielen Dank an beverage-spirits für die Bereitstellung der Flasche. Außer Gin ist hier nix geflossen.