Dass man aus Apfelwein im Norden Frankreichs Calvados destillieren kann, das zeigt vor allem Christian Drouin mit seinem La Blanche – ein Eau de Vie, bei dem dennoch der Apfel im Vordergrund steht. Dieser Artikel erschien ursprünglich auf spirit-ambassador.de und hat eine ungefähre Lesezeit von 4 Minuten.
Über die Leichtigkeit der Normandie
Es ist eine lange Tradition, die sich in jedem Schluck Calvados findet. Eine Verbindung des Terroirs der Normandie und der Art und Weise des Lebens, hier im Norden Frankreichs, wo gefühlt die Südküste Englands näher ist als Paris. Doch an beiden Orten, im Süden Englands und in der französischen Hauptstadt ist Calvados eine Randerscheinung. So ist das manchmal mit alten, traditionellen Produkten – sie laufen Gefahr aus der Mode zu sein. Oder – und das ist viel schlimmer – zu bleiben. Ein unermüdlicher Motor dagegen stellt die Arbeit von Calvados Christian Drouin dar, der neben seinen fantastischen alten Abfüllungen auch neue Wege geht und die Gunst der Cocktailstunde zu nutzen weiß.
Drei Generationen Innovation
Die Geschichte von Calvados Christian Drouin beginnt erst in den 1960er Jahren. Der Großvater, Christian – ein Industrieller aus Reims – erwarb das Landgut Fiefs Saint-Anne auf den Hügeln von Gonneville – nahe Honfleur. Die darauf befindliche Brennerei nutze er und begann alsbald den eigenen Cidre zu Calvados zu destillieren – und vor allem noch wichtiger: ihm viele Jahre in den Fässern des Anwesens zu geben. Doch es soll hier gar nicht um den großartig gereiften Calvados gehen, welcher nun vom Sohn Christian und Enkel Guillaume produziert wird, sondern um La Blanche – jenes ungereifte Destillat, welches sich per A.O.C. Bestimmung keinesfalls Calvados nennen darf, aber dennoch eine Essenz aus tausend Äpfeln ist.
Von jugendlichen Cocktails
Es ist Christian junior, der nunmehr die treibende Kraft hinter der Marke Calvados Christian Drouin ist. Durch sein Studium und seine zehnjährige Laufbahn als Jurist ist er in der Welt umhergekommen und hat internationale Metropolen gesehen und Trends erlebt. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum er ganz nebenbei auch als einer der best-angezogensten Männer im Calvadosgeschäft gilt – aber dies soll hier nicht im Fokus stehen. Vielmehr jedoch seine Einsicht in die Notwendigkeit der Verjüngung des Images der normannischen Destillate.
Das 21. Jahrhundert ist das Zeitalter der urbanen Bars und mit ihr der modernen Cocktails. Die Ginwelle hat das Konsumverhalten einer ganzen Generation geprägt und lässt traditionelle Kategorien alt aussehen. Dass nebenbei auch ein Gin auf Basis von Cidre hergestellt wird, soll hier nur kurz erwähnt werden.
und historischen Werte
Der La Blanche ist kein Gin! Er ist eine moderne Interpretation des alten Handwerks. Erst mit der Erhebung des A.O.C. und einer späteren Altersbestimmung setzte sich alter, gereifter Calvados durch. Zuvor wurde das Destillat meist jung und damit hell bis farblos getrunken. Man darf dabei nie vergessen, dass Calvados ursprünglich ein Schnaps der einfachen Leute war. Doppelt in einer klassischen normannischen Pot Still aus mehr als 30 Apfelsorten destilliert, wird La Blanche für einige Monate in inerten Behältern zur Ruhe gebracht, bevor man ihn anschließend mit 40%vol. in die Flasche bringt.
Normannische Leichtigkeit
In der Nase zeigt sich der La Blanche sofort mit reifen Äpfeln. Man könnte blind im ersten Moment auf die Idee kommen, einen ausgereiften Calvados im Glas zu haben. Doch schnell kontrapunktiert eine frische, säurebetonte Note das Bild und zeigt die Besonderheit dieses Produktes auf. Eine tanninige Grundstruktur entwickelt sich, in der man vor dem inneren Auge sich in eine Cidrerie gesetzt fühlt. Es duftet hervorragend nach Äpfeln, nach Frucht und nach den herben Stielen. Eine tolle Leichtigkeit spielt sich da auf, die mit einer feinen Würze in Balance liegt. Ein Hauch Muskat und etwas Zimt deuten sich im Hintergrund an, der durchsetzt ist von einer fantastischen Mineralik. Wenn man ganz genau hineinriecht, so spürt man förmlich die Frische, die vom Meer herüber weht.
Mit der Zeit werden die Aromen etwas dunkler und aus dem Salz allmählich eine leicht kalkige Struktur, deren Grundlage – die Äpfel – jedoch über allem schweben. Schon jetzt ist die Lust auf einen eiskalten Martini damit riesengroß!
Im Mund wirkt der La Blanche deutlich kräftiger und überrascht mit einer cremigen Textur, die vor allem an reife Lageräpfel denken lässt. Leicht buttrig – und dennoch durchsetzt von den strukturellen Tanninen – wird das Gesamtbild aufgebrochen von der Säure frischer Früchte und weißer Blüten, deren Leichtigkeit auch am Gaumen helle Bilder zu malen vermag. Mit der Zeit entwickelt sich eine feine, krautige Note, welche an Rosmarin erinnert. Eine ungewöhnliche, aber nicht unspannende Assoziation. Die Textur wird dicker und kräftiger dadurch und trägt einen zurück in die eigene Kindheit. Der Geruch der eingelagerten Früchte im Frühling des Folgejahres. Dieses wohlig fruchtige Tiefe des Aromas – ohne dass dabei die Frische und Leichtigkeit verloren geht. Eine wirklich spannende Aufführung! Man bekommt das Gefühl, ein ganzer Sommertag in der Normandie liegt einem auf der Zunge und im Nachklang scheint dieser Sommertag niemals vergehen zu wollen.
Appletini – aber richtig!
Der La Blanche von Christian Drouin ist ein rundum spannendes Produkt mit einer fantastischen Aromastruktur. Aber vor allem ist es eine großartige Möglichkeit die traditionelle Welt von Calvados mit der Moderne der Bar zu verbinden. Die naheliegende Bauchidee eines Martinis erweist sich als fantastische Realisierung und hat mit den Appletinis der 1990er soviel gemeinsam wie die Realität mit der Serie Scrubs. Wobei das im letzteren Fall tatsächlich ein wenig traurig ist. Aber ich bin mir sicher, mit dem La Blanche wäre auch John Dorian glücklich.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Christian Drouin
- Alter: k.A.
- Alkoholgehalt: 40% Vol.
- Farbstoff: Nein
- Kühlfiltration: Ja
Vielen Dank an Bremer Spirituosen Contor für die Bereitstellung der Flasche. Außer La Blanche ist hier nix geflossen.