Lerne in diesem Beitrag einen wirklichen Microbatch Whiskey aus Florida kennen: den Palm Ridge Reserve und erlebe, wie großartige Menschen diesen besonderen Whiskey mit Leidenschaft herstellen und wie er schmeckt. Ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienen, hat dieser Beitrag eine Lesedauer von ca. 4 Minuten.
Die Wege des Herren sind unergründlich und die Wege von Whiskey manchmal auch. In den Tiefen der rheinhessischen Weinlandschaft, in Nieder-Saulheim verkaufen zwei Männer Whisk(e)y unter dem Namen your-whisky.com. Dabei handelt es sich in erster Linie um einen klassischen Fachhandel mit einem äußerst großen Angebot. Darum jedoch soll es hier nicht gehen.
Vielmehr beachtlich ist die Verrücktheit dieser beiden Herren – Hardy und Daniel – und ihre Leidenschaft für amerikanischen Whiskey. Vor nunmehr zwei Jahren stellten sie mir ein Produkt vor, von dem ich zuvor noch nie etwas gesehen oder gehört habe. Und das trotz der Tatsache, dass es auf eyeforspirit.de schon 2011 einen Bericht darüber gab. Aber das ist ja das Schöne an dieser wunderbaren Genusswelt – es gilt immer wieder Neues zu entdecken!
Daniel und Hardy jedenfalls stellten mir diesen Whisky und ihre gemeinsame Geschichte vor. Nun soll vor allem der Whiskey hier Erwähnung finden: Palm Ridge Reserve.
Craft Distillers, Sommer und Whiskey
Florida gilt gemeinhin als das US-amerikanische Rentnerparadies. Kein Wunder, bei den stetig sommerlichen Temperaturen und Disneyland! Doch seit einigen Jahren entwickelt sich das Land zwischen Tallahassee und Miami zu einer neuen Heimat sogenannter Craft-Destillers. Seit 2012 gibt es sogar eine Florida Craft Destillers Guild, die sich um die Belange der Produzenten kümmert. Fast alle davon kleinere oder kleinste Brennereien, die sich handwerklich hergestellten Destillaten verpflichtet fühlen und dabei gerne mal die ausgetretenen Wege verlassen um komplett neue Dinge tun. Zwei dieser Menschen sind Dick und Marti Waters, die eigentlich in Umatilla, einem ca. 3.500 Einwohner zählenden Städtchens an der State Road 19 eine Farm betreiben. Dort begann man im Jahr 2009 Whiskey zu destillieren und ihn vor Ort zu verkaufen. Vier Jahre später – 2013 – lernen sich die Saulheimer und die Familie Waters kennen und die Produkte zu schätzen. Kurz darauf kam man auf die Idee, doch wenigstens ein paar der ca. 6.000 produzierten Flaschen im Jahr nach Deutschland zu holen. Allen widrigen Umständen zum Trotze – wer sich mit amerikanischen Alkoholgesetzen auskennt wird davon ein Lied singen können – war dies dann im Jahr 2017 möglich.
Bourbon styled
Destilliert wird unter dem Namen Florida Farm Distillers auf Basis einer Maische-Mixtur aus Mais, gemälzter Gerste und Roggen in einer kleinen 225 Liter fassenden kupfernen Brennblase. Um die kleinen Fässer – zumeist nur 20L – mit Rohdestillat zu füllen braucht man zur Destillation zwischen 10 und 11 Stunden. Neben der Kleinstmengen-Destillation ist es vor allem die Fassreifung, die diesen Whiskey so besonders macht, verwendet man doch nicht nur Eichenholz, sondern in den Fässern auch noch Orangenholz-Chips. Kein ganzes Jahr verbringt der Whiskey in den Fässern. Dies ist der Größe – oder Kleine – eben jener geschuldet, denn je kleiner ein Fass ist, desto größer ist die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen und desto intensiver kann das Fass arbeiten. Außerdem spielt das Klima Floridas eine entscheidende Rolle: es ist einfach schön warm und ermöglicht ein schnelleres „Reifen“.
All diese extraordinären Prozesse wären unter dem strengen Label Bourbon nicht möglich, aber der Begriff „american whiskey“ lässt Vieles mehr zu. Dies ist auch das Schöne am Land der schier unbegrenzten Möglichkeiten: man kann dort Dinge einfach anders machen und zuweilen kommt dabei etwas heraus, was gänzlich anders ist, aber dafür umso spannender.
Jenseits von Bekanntem
Im Glas schimmert der Palm Ridge Reserve in einem enorm dunklen Kupfer mit deutlich roten Reflexen – welche Farbe für das Alter (sieben bis neun Monate!). Die 45%vol. sind im ersten Moment in der Nase kräftig spürbar, verfliegen dann jedoch sehr rasch. Der erste Eindruck: ungewöhnlich schwer zu beschreiben. Klar, eine gewisse Süße, aber der Rest eine eigentümliche Exotik. Vom Holz her erinnert es vielmehr an tropische Hölzer, wie man sie bei Cachaça einsetzt. Dann langsam Zitrusnoten im Hintergrund und die Süße stilisiert sich zu einer Erinnerung an Popcorn. Das hier ist auf keinen Fall eine stereotype Getreide-Nuancierung. Fruchtgummi, ein bisschen wie Tutti Frutti und eine allmähliche Kräuternote, sowie eine ätherische Frische. Dazu auf einmal Petrichor – im Übrigen einer der schönsten Gerüche der Welt – und dazu eine Salzigkeit, welche ganz fein über der süßen Struktur und einem gummi arabicum liegt. Mit der Zeit kommt das Holz deutlich nach vorn. Dazwischen Minznoten und andere Kräuter. Schon jetzt wirkt die Struktur dick und sirupartig, doch irgendwie auch staubig. Die Orangennoten werden enorm deutlich und mit noch mehr Zeit wirkt der Palm Ridge Reserve unglaublich frisch.
Im Mund finden sich sofort die Fruchtgummi-Noten und eine Idee Zedernholz. Dazu aber auch Rosenholz und Rosenwasser, welche sich aromatisch wunderbar mit den Fruchtnoten ergänzen. Es erinnert ein wenig an Pfirsich-Drops. Ganz subtil dazwischen entdeckt man Kokos-Aromen, die in ihrer Eigenart fast schon kitschig wirken – wie eine gebrannte Kokosnuss. Doch dagegen steht diese eigentümliche ätherische Frische. Auf einmal Dörrobst, doch schnell wieder Minze und Orange. Ein völlig irritierendes Gefühl stellt sich ein, wenn man auf einmal an Nusscreme denken muss, ohne Kakao und Schokolade – die ist allenthalben auch der Textur geschuldet. Am Gaumen bleibt die Süße hängen, wobei der Nachklang nicht unendlich lang ist. Dazu frisches Holz.
Fraglos in Florida
Die erste Einschätzung: was für eine charmant abstruse Aromenkombination. In einem Blindtasting würde man ganz klar sagen, dass es sich hier um einen kanadischen Roggenwhisky handeln würde. Oder ein etwas breiterer irischer Whiskey. Oder ganz klar irgendein Rum. Wenn man nicht weiß, was man hier im Glas und auf der Zunge hat, dann bleibt man ratlos zurück. Einordnen lässt sich der Palm Ridge Reserve von Dick und Marti Waters auf gar keinen Fall. Aber genau das ist das Schöne und vor allem Spektakuläre: es ist so deutlich anders als Vieles, was man kennt. Und selbst der berühmte Kritiker Jim Murray gibt in seiner Whisky Bible 2015 für diesen Whiskey 94,5/97 Punkte.
Wer sauber definiert in Kategorien trinken möchte, für den wird der Palm Ridge Reserve eher untauglich sein. Wer jedoch mal sensorische Kontinentalsprünge in einem Glas erleben möchte, dem sei geraten diesen Whiskey mal zu probieren, auch wenn die Chance dazu eher klein ist, da er kaum verfügbar ist.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Farm Distillers Florida
- Alter: 7 – 9 Monate
- Alkoholgehalt: 45% Vol.
- Farbstoff: Nein
- Kühlfiltration: k.A.
Vielen Dank an your-whisky.com für die Bereitstellung der Flasche. Außer Whisky ist hier nix geflossen