Der jahrgangslose Rose-Champagner der Maison Veuve Clicquot war nach vielen Jahren eine wirkliche Überraschung – ist er doch wesentlich weniger albern als gedacht. Ein toller Sommerwein ohne ordinäre Erdbeeren und dazu eine tolle weinige Stilistik. Diese Beschreibung erschien ursprünglich auf spirit-ambassador.de und hat eine ungefähre Lesedauer von 4 Minuten.
Es gibt Dinge, die man mit einem Attribut versehen abspeichert und dessen Bewertung lange einfach so bleibt, ohne dass man diese damalige Beurteilung überprüft. Und es scheint, dass Champagner aus dem Hause Veuve Clicquot viele Menschen dazu bringt, so zu handeln. Wahrscheinlich liegt es an der langen Bekanntheit der Produkte und an der häufigen Sichtbarkeit. Während ich immer irritiert bin über die grundsätzliche Haltung der Leute zur Standardcuvée, muss ich mir bezüglich des Rosé eingestehen, ähnlich zu sein. Das letzte Mal bewusst vor einigen Jahren getrunken, habe ich diesen klassischen Rosé-Champagner als Fruchtbrause abgespeichert und erst für diese Verkostung wieder bewusst genossen.
Ein Schluck Geschichte
Angeblich war es die berühmte Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin selbst, die im Jahre 1818 als Erste auf die Idee kam, ihren Weinen einen kleinen Anteil Rotwein beizumischen. Laut einem Artikel des WineSpectators hingegen gebührt diese Ehre dem Haus Ruinart, welches schon 1764 einen rosé-farbenen Champagner verkaufte. Damals wurde dieser Wein in seiner Erscheinung beschrieben als „oeil de perdrix“, was in der Übersetzung so viel bedeutet wie „Rebhuhnauge“. Die Formulierung – heute u.a. in der Schweiz für eine bestimmte Weinart geschützt – war zur damaligen Zeit gängig. Es ist jedoch davon auszugehen, dass im 18. Jahrhundert dies eher als Weinfehler verstanden wurde, denn als bewusste Entscheidung.
Schließlich war das Wissen um die perfekte Vinifikation längst noch nicht so weit vorangeschritten. Halten wir also der Witwe Clicquot zugute, dass sie es gewesen sein könnte, diese Art des Champagners bewusst und wissentlich erzeugt und in den Handel gebracht zu haben.
Welche Intention sie dabei hatte bleibt ihr Geheimnis, ob diese Geschichte stimmt auch. Nichtsdestotrotz haben Rotweine in der Champagne eine äußerst lange Tradition und eine der vielzitierten magischen Momente von Champagner ist bekanntlich die Tatsache, dass wir hier einen weißen Wein erzeugen, der aus vornehmlich roten Rebsorten hergestellt wird. Auch wenn damals Chardonnay deutlich weniger Bedeutung hatte und es vielmehr rote Rebsorten gab – schließlich zerstörte die Reblaus erst Ende des 19. Jahrhunderts allmählich die Champagne. Der Boden, der Wein und auch die Menschen hier sind halt immer schon etwas widerspenstiger gewesen.
Eine starke Basis
Der Veuve Clicquot Rosé in der hier verkosteten non-vintage Qualität unterliegt der gleichen Philosophie wie die berühmte Standardcuvée, der Carte Jaune. Und um dem Hausstil gerecht zu werden, verwendet man auch hier die gleiche Assemblage. Das bedeutet, dass die Weine von 50 bis 60 Crus aus der Champagne kommen, sowohl Grand Crus, als auch Premier Cru und nieder kategorisierte Lagen und der Fokus wieder auf dem Pinot Noir mit 50% bis 55% liegt. Also vom Grundkörper her wieder stoffig und weinig zu erwarten ist. Dazu 28% bis 33% Chardonnay und 15% bis 20% Pinot Meunier. Einzig werden dabei 12% als Rotwein zugesetzt. Auch die Menge der Reserveweine liegt zwischen 30% und 45%, wobei die Ältesten davon bis zu neun Jahre gereift sind. Auch analog zur Standardcuvée verhält sich die Versand-Dosage mit rund 10gr. pro Liter und entspricht damit klassischen Brut-Verhältnissen.
Erwachsenen-Modus
Im Glas – idealerweise hier ein etwas größeres Glas – zeigt sich der Rosé in feiner Eleganz und einem lachs-farbenen Schimmern und einer augenscheinlich äußerst stabilen Bläschenentwicklung. In der Nase wirkt sofort die Stoffigkeit und er wirkt äußerst breit und – das war die größte Überraschung: kein bisschen kitschig! Im ersten Moment verwundernd, im zweiten zur Revision ursprünglicher Meinung führend. Kein Kitsch, keine Erdbeerbowle – nein! Wein, dem gegenüber eine sauber strukturierte Säure und Grapefruitschale steht. Sicherlich Frucht, natürlich assoziiert rote Frucht – Hagebutte, Himbeeren und eventuell ein bisschen Kirsche. Aber in erster Linie ein breiterer Körper mit viel Wein und ein wenig Gebäcknoten. Die Frucht zeigt sich nur in dem Maße, wie es die Balance zulässt und wirkt nicht überbordend. Balance ist hier vielleicht das richtige Wort – Balance zwischen Kraft und Leichtigkeit. Wir erinnern uns: Rosé-Weine sind für den Sommer…
Im Mund dann noch mehr Körper, der Wein wirkt dicker und würziger als erwartet und offeriert nunmehr eine deutlich intensivere Säurestruktur. Die Perlage wirkt sehr feingliedrig auf der Zunge – welch spannende Dynamik zwischen diesen Eindrücken – mit einer charmant wuchtigen Textur. Auch hier wieder die roten Früchte und eine leicht ätherische Note, die fast schon ein wenig an Tannennadeln erinnert. Ganz fein, ganz versteckt. Mit der Zeit wird der Wein immer schwerer, wuchtiger und voller. Der Rotwein spielt seine Kraft aus und auf einmal eine böse Erinnerung. Ich schmecke Erdbeeren. Doch viel feiner und eleganter als in der Erinnerung. Harmonisch integrieren sie sich in das Bild eines durch und durch erwachsenen Champagners.
Sommer mit Erfahrung
Wer einen leichten, fruchtbetonten Champagner erwartet, oder eine kitschige Erdbeerbowle befürchtet, der muss sich vom Veuve Clicquot Rose non-vintage eines Besseren belehren lassen. Heutzutage gilt Rosé-Champagner als eine der erotischsten Weine der Welt und spätestens mit den ersten warmen Frühlingstagen erweckt der Durst auf dieses edle Getränk. Irgendwie assoziiert man Rosé halt doch mit Sonne und milden Temperaturen und einer gewissen Verspieltheit und Leichtigkeit. Sicherlich, dieser Clicquot ist kein terroirgesteuertes Monster, welches sich tief in das sensorische Gedächtnis einbrennt, aber er ist deutlich erwachsener und kräftiger, weiniger und vielsagender als man – als ich es ihm zugetraut hätte. Ein stoffiger Vertreter, der wunderbar mit kräftigeren Aromen harmoniert. Aus einer Laune heraus tauchte auf einmal am Tisch ein großes Stück gut gereifter Appenzeller auf. Kräftige Noten, Schmelz und Körper. Genau das Richtige, was dieser Wein als Sparingspartner gebrauchen kann.
Eingeständnis
Bekanntlich ist man nie zu alt, um neue Dinge zu lernen oder Alte zu vergessen. Das ist hiermit bestätigt und ein guter Antrieb, die Dinge mit etwas Erfahrung und ins Land geflossener Zeit nochmals zu probieren. Unverhofft erfährt man vielleicht – so wie ich hier – eine Revidierung seiner Meinung. Wichtig ist nur, dass man sich diese auch eingesteht. Ich jedenfalls freue mich auf den Sommer und den ein oder anderen Rosé-Champagner. Auch gerne aus dem großen Hause Veuve Clicquot.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Champagner Veuve Clicquot
- Assemblage: 50-55% Pinot Noir, 28-33% Chardonnay, 15-20% Pinot Meunier
- Dosage: 10gr./L
- Flaschenreife: 30 Monate
- Alkoholgehalt: 12,5% Vol.
Vielen Dank an Moët Hennessy Deutschland für die Bereitstellung der Flasche. Außer Champagner ist hier nix geflossen.