Dieses Brennerei-Porträt erschien ursprünglich auf spirit-ambassador.de und ist eine Hommage an die vielleicht berühmteste Single Malt Scotch Whisky Brennerei: Glenfiddich. Von den Ursprüngen Ihres Gründers bis heute verfolgt man in der Speyside eine stringente Philosophie. Die durchschnittliche Lesedauert beträgt 5 Minuten.
Für viele Menschen in der Single Malt Scotch Whisky Szene ist die ikonische, dreieckige Flasche nicht mehr wegzudenken, ist sie doch zu einer wahren Instanz dieser Kategorie geworden. Ihr Erfolg erscheint jedoch als Fluch und Segen zugleich, denn allzu häufig werden die Abfüllungen aus dieser Brennerei in Dufftown als Massenware und Mainstream verschrien. Doch vielmehr steht hinter dem Erfolg eine Vision und der Wille, diese in die Realität umzusetzen – auch wenn jene Realität in größeren Dimensionen gedacht wird als man kleine Brennerei es sich jemals zu hoffen vermag. Der Erfolg jedoch gibt den Männern und Frauen recht – seit 1886. Die Rede ist von Glenfiddich.
Der Gründer und sein Erbe – unbedingtes Wollen
Ihren Ursprung fand diese wahnsinnige Erfolgsstory in dem unbedingten Willen des 47jährigen William Grant, eine eigene Brennerei zu gründen; hatte er doch langjährige Arbeitserfahrung in der Destillation von Whisky bei Mortlach gesammelt. Aus der finanziellen Unpässlichkeit seiner damaligen Tage machte er eine Tugend und erbaute die Brennerei mit wenig fremder Hilfe und durch den unermüdlichen Einsatz seiner Frau und den gemeinsamen neun Kindern einfach in Eigenregie, wobei einige wichtige Dinge – die Brennblasen zum Beispiel – gebraucht ihren Weg von der damaligen Cardhu-Brennerei nach Dufftown fanden. Diese Gründungsgeschichte manifestiert sich bis heute in der Entwicklung von Glenfiddich, wird die Brennerei doch immer noch als Familienbetrieb geführt. Nach einer harten und entbehrlichen Bauzeit war es zu Weihnachten 1887 endlich soweit: der erste New Make floss aus den Brennblasen der neuen Glenfiddich Brennerei. Das Tal am Fluss der Hirsche produzierte Whisky aus damals zwei Pot Stills. Und dies mit schnellem Erfolg.
Einige Jahre nach der Gründung war es Grant möglich, das Land der Brennerei zu erweitern und so kaufte man die Grundfläche der naheliegenden Robbie Dhu Quelle, die bis heute die Wasserversorgung der Destille bildet. Doch nicht nur flächenmäßig vergrößerte man sich, auch andere Brennereien wurden unter dem Hause Grant heimisch. Der wohl bedeutendste Clou gelang schon 1892, als man The Balvenie gründete. Dieser Kauf war die Grundlage für ein visionäres Imperium, welches bis heute Bestand hat und sich in der Gründung der Firma William Grant & Sons im Jahre 1903 manifestierte. Der Weg dahin war nicht immer einfach, doch bei Glenfiddich schaffte man es irgendwie immer, gestärkt aus Krisensituationen herauszugehen. Eine Eigenschaft, die durch Stärke und Visionen schon mit dem Gründungsvater William Grant begann.
Krisen als Chancen verstehen
Eine dieser Krisen war eine national-schottische Krise – ja eine Krise der gesamten Whiskyindustrie und fand am 5. Dezember 1898 ihren Höhepunkt. An diesem Tag brach das auf Krediten aufgebaute Imperium der Firma Pattison, Elder & Co aus Glasgow zusammen. Die damals bedeutendste und größte Whisky-Blending-Company hatte sich verzockt. Viele Brennereien lieferten ihre Destillate nach Glasgow und für nicht Wenige war diese mehr oder weniger dubiose Firma der Hauptabnehmer ihrer Produkte. Mit dem Crash wurde ein wichtiger Kapitalstrom unterbrochen, doch William Grant ließ sich davon nicht unterkriegen. Vielmehr erkannte man die Gefahr der Abhängigkeit und entschloss sich dazu, ab sofort eigene Blends herzustellen und diese direkt zu vermarkten. Eben jener Schritt war zur damaligen Zeit ein äußerst zukunftsorientiertes Handeln, welches sich auszahlen sollte.
Glenfiddich wuchs und wuchs. Auch die großen Krisen des 20. Jahrhunderts schienen der Brennerei nichts anhaben zu können. Für viele Destillerien war der Wegfall des amerikanischen Marktes ein Problem – nicht so für die Firma William Grant & Sons. Diese lieferte einfach weiter über Umwege in die Vereinigten Staaten und erhöhte sogar noch das Produktionsvolumen. Ein mehr als visionärer Schritt, oder schlichtweg wagemutig irre – aber bekanntlich honoriert die Geschichte Mut. Auch der Umstand, dass man während beider Weltkriege weiter destillierte schuf eine Grundlage für die Zukunft, welche nicht bezifferbar ist. Man generierte einen riesigen Stock hochwertiger und lang gelagerter Whiskys, welcher so in Schottland eher selten auffindbar war. All dies sollte die Basis darstellen für ein stetiges Wachstum bei dennoch toller Qualität.
Innovation als Antrieb
Die Geschichte der Firma ist permanent geprägt von eigenen Wegen und innovativen Herangehensweisen – so auch ihr Auftritt. Fast schon ikonisch ist die dreieckige Flasche, welche es so mittlerweile seit 1957 gibt. Eine Wiederspiegelung der Trinität aus Luft, Wasser und Gerste – den Grundelementen von Scotch Whisky. Nicht nur ein gelungener Marketing-Schritt, sondern auch eine Verbeugung vor dem eigenen Produkt. Doch für viele bemisst sich die Bedeutung der Brennerei Glenfiddich in der Handlung des Jahres 1963. Damals brachte man mit einiger Werbung einen 8jährigen Single Malt Scotch Whisky auf den Markt als Gegenentwurf zum damals sinkenden Blended-Konsum. Lange Jahre hielt sich der Mythos, Glenfiddich habe damit Single Malt überhaupt erst erfunden.
Diese Geschichte erzählt man heutzutage nicht mal mehr in Dufftown, nichtsdestotrotz hat man mit diesem Schritt den großen Siegeszug für diese damals sehr unterrepräsentierte Kategorie eingeleitet und muss an dieser Stelle dafür äußerst dankbar sein. Ohne Glenfiddich wäre es wohl niemals zu dieser Entwicklung gekommen – und der Erfolg gibt ihnen recht. So konnte man schon 1956 eine eigene Kupferschmiede errichten, um der Qualitätssicherung der Brennblasen gerecht zu werden, zu welcher sich 1959 eine eigene Küferei gesellte. All dies baute den Ruf und die Sicherung des Erfolgs von Glenfiddich weiter aus und ließ die Brennerei stetig wachsen. Eines verlor man jedoch nie aus den Augen – die Zukunft.
Whisky ist mehr als ein Getränk
Als man 1969 das allererste Besucherzentrum in einer schottischen Whiskydestillerie eröffnete, taten viele das als Humbug ab. Doch wie wir heute wissen, ist diese Institution für die meisten Brennereien heute enorm wichtig, ermöglicht es nicht nur eine nicht ganz unbeträchtliche Einnahmequelle; vielmehr hilft es dabei, die eigene Marke in das richtige Licht zu rücken und Gäste und Kunden zu begeistern. Und dies ist bis heute bei Glenfiddich der Fall. Besucht man die Brennerei, so gelangt man auf ein großes, wunderschönes Anwesen mit unzähligen Lagerhäusern, derer es aktuell insgesamt 45 gibt. Hunderttausende von Besuchern jedes Jahr strömen nach Dufftown, um sich eine der größten Destillerien Schottlands anzuschauen und den Geist von William Grant zu erleben. Ein definitives Highlight ist die Warehouse No. 8 Tour mit der Besichtigung der großen Solera-Vattings – der Grundlage für einen unglaublich leckeren 15jährigen Glenfiddich, welcher im Stile der großen Sherrys finalisiert wird. Und man sollte immer einen Blick um die vielen Ecken vagen, denn auch wenn es sich manchmal anfühlt wie ein organisiertes Disneyland für Scotch-Liebhaber, so ist die Brennerei ein Ort voller kleiner Geheimnisse, Überraschungen und versteckter Schönheiten.
Manche rümpfen sicherlich die Nase über Glenfiddich – er sei zu einfach, zu sehr Mainstream, zu sehr Anfängerwhisky. Nun, bekanntlich lässt sich über Geschmack streiten – sogar vortrefflich! Und auch wenn man hier nunmehr mit insgesamt 24 washbacks, 10 wash stills und 18 spirit stills arbeitet und damit über 13 Mio. Flaschen Whisky produziert – immer wird Glenfiddich eine Grundsäule schottischen Whiskys bleiben. Und sollte der Hype um Single Malt Scotch Whisky eines Tages abflauen, so wird es unter anderem die Brennerei von Glenfiddich sein, die eines Tages wieder wie Phönix aus der Asche aufsteigen wird, und das machen wird, was man dort in Dufftown seit 1887 macht: einfach guten Whisky.