Der Harvard Manhattan ist eine Abwandlung des legendären Manhattan Cocktails, nur halt mit Cognac. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit hinter einem Drink, den ich erst vor kurzem für mich entdeckt habe, der sich aber sofort einen Platz auf meiner Lieblingsdrink-Liste ergattert hat. Was hinter dieser Abwandlung steckt, ob die berühmte Ivy League Universität etwas damit zu tun hat und wie Du dir diesen wirklich grandiosen Shortdrink kurzerhand daheim selber mixen kannst, das erfährst Du hier in 5 Minuten.
Alles beginnt mal wieder in Manhattan
Die belegbare Geschichte des Harvard Cocktails beginnt Ende des 19. Jahrhunderts mit der Erwähnung im Jahr 1895 erschienenen Buch Modern American Drinks – How to mix and serve all kinds of cups and drinks von George J. Kappeler.
Kappeler war zu dieser Zeit Bartender im berühmten Holland House an der 5th Avenue / 30th Street im – wie soll es anders in der Geschichte legendärer New Yorker Drinks auch sein – Bezirk von Manhattan. Das im Jahr 1892 eröffnete Holland House in New York war eine Replik eines berühmten Londoner Herrenhauses aus dem 17. Jahrhundert, welches in Kensington als Cope Castle bekannt war und heute als Park genutzt wird, da das originale Haupthaus nach einem Brand nie wieder aufgebaut wurde.
In diesem berühmten Nachbau an einer der bekanntesten Straßen New Yorks fand sich Ende des 19. Jahrhunderts eine illustre, aber vor allem wohlhabende und elitäre Gästeschar ein, welche die Vorzüge des Hotels genoss. Nicht unweit und nur einige Straßen entfernt in der 44th Street befand und befindet sich bis heute der Harvard Club of New York City, ein privater Club für Absolventen sowie Fakultätsmitgliedern der ältesten Universität der USA.
Und so kann man davon ausgehen, dass wohl viele der wohlhabenden Mitglieder dieses elitären Clubs, ihre Nächte im Holland House verbrachten und dort an der Bar auch den ein oder anderen Drink zu sich nahmen. Und der Ort der wahrscheinlichen Erfindung des klassischen Manhattan-Cocktails liegt nicht allzu weit entfernt.
Harvard und die Ivy League
Damals wie heute beeindruckt der Name Harvard als Hort von höchster Bildung die Menschen und öffnet Absolventen die Türen für lukrative Anstellungen auf der ganzen Welt. Und im ausgehenden 19. Jahrhundert wird diese soziale Positionierung deutlich stärker gewesen sein, so dass sich die Netzwerke an weniger öffentlichen und damit zumeist elaborierten Orten trafen. Wie dem berühmten Holland House.
Harvard als Universität genoss schon damals einen einzigartigen Ruf, ist es doch die erste und damit älteste Universität der Vereinigten Staaten von Amerika, gegründet im Jahr 1636 in der kleinen Stadt Camebridge in Massachusetts vor den Toren der Stadt Boston. 16 Jahre nach der Ankunft der ersten Pilger an Bord der Mayflower wurde dort eine Schule zur Ausbildung von Geistlichen gegründet, deren ambitioniertes Motto bis heute einfach nur Veritas lautet. Der Wahrheit verpflichtet.
Die Universität von Harvard ist heute Primus inter Pares einer Gruppe von elitären Colleges in den USA, zu denen unter anderem auch die Universitäten von Princeton (New Jersey) und von Yale (New Haven in Connecticut) gehören. Die weiteren Universitäten sind Brown (Providence, Rhode Island), Columbia (New York City), Cornell (Ithaca, New York), Dartmouth (New Hampshire) und die University of Pennsylvania.
Vor allem jedoch Princeton und Yale sind für die Betrachtung des Harvard Cocktails von Interesse, da auch diesen beiden Universitäten in Kappelers Buch ein Drink gewidmet wurde. Aber diese Geschichten können ein anderes Mal erzählt werden.
Der Harvard Cocktail im Waldorf
Ein weiterer berühmter Ort des Trinkens war um die Jahrhundertwende das alte Waldorf Astoria Hotel, dessen Bedeutung vor allem in der Geschichte des Bronx Cocktails (diese findest Du hier) niedergeschrieben wurde.
Im Buch zur Bar des Old Waldorfs von Albert Steven Crockett aus dem Jahr 1931 findet sich zwar ein verändertes Rezept des Harvard Cocktails, welches heute keinerlei Relevanz besitzt, aber es findet sich auch ein wundervoller Verweis auf die Geschichte des Drinks, wird er doch beschrieben als:
„Named after a school for young men, whose site is contiguous to the Charles River, in a suburb of Boston. Alumni who drunk it sometimes lost the Harvard accent“
Der Harvard – mehr als ein Manhattan Twist?
Das Rezept eines Harvard Cocktail von Crockett aus dem Old Waldorf sieht die Verwendung von Orange Bitters, 2cl Weinbrand und 3cl rotem, italienischem Vermouth vor. Also eine Manhattan-Variante, welche deutlich abgeschwächter und fast schon als Reverse Manhattan (was das ist, erfährst Du hier) zu deuten ist.
Ein bisschen anders funktioniert die wahrscheinlich originale Variante von Kappeler, welche 36 Jahre zuvor niedergeschrieben wurde und ganz wahrscheinlich einfach für Gäste gemixt wurde, die eben mit jener bedeutenden Universität verbunden waren. Und genau diese Rezeptur ist es, die mich persönlich so überrascht und vor allem begeistert
Harvard Cocktail – das Rezept
- 30ml Cognac – ich nehme in diesem Fall den Remy Martin 1738
- 30ml roter Vermouth – mein persönlicher Standart ist hier immer Antica Formula
- 1 Tropfen Sirop de Gomme – das ist schwer zu bemessen, es sollte aber wirklich nur ganz ganz wenig sein
- 3 Dashes Angostura Bitters (warum Du diesen Bitters unbedingt benötigst, erfährst Du im Übrigen hier)
Dies alles wird auf Eis in einem Rührglas kaltgerührt und dann in eine Coupette abgeseiht. Danach gibt man einen kleinen Schluck Sodawasser hinzu und aromatisiert alles mit einer Zitronenzeste.
Vor allem die Mengen des Sirop de Gomme und des Sodas sind hierbei relevant. Ich würde ¼ Barlöffel des Sirop de Gommes empfehlen und maximal 2cl Sodawasser.
Es ließe sich viel darüber spekulieren, ob der Harvard ursprünglich als eine Art Spritz-Getränk verstanden wurde, aber hier wird man wohl kaum befriedigende Antworten finden. Eines ist auf jeden Fall sicher: der klassische Manhattan Cocktail (dessen Geschichte wir hier erzählen) ist deutlich wiedererkennbar im Harvard Cocktail.
Der Harvard Cocktail: Ein Drink voller Körper und Humor
Was hingegen äußerst befriedigend ist, ist der erste Schluck eines Harvard Cocktails. Denn so sehr die Rezeptur verwundern mag, so sehr erzeugt dieser einen Drink vor allem Eleganz und Freude. Die bekannte Manhattan-Kombination aus Vermouth und fassgereifter Spirituose erzeugt eine wohlige Wärme und würzige Süße. Der Angostura Bitters ergänzt diese ganz subtil und der Sirop de Gomme verleiht dem Drink eine merkliche Tiefe und Balance, die wie durch Zauberhand und mit einer unglaublichen Leichtigkeit mit Humor versehen wird.
Das Sodawasser ist genau dieses Augenzwinkern im Drink, welches ihm nicht nur die finale Eleganz verleiht, sondern und vor allem einen beeindruckenden Raum für die fruchtigen Aromen des Cognacs und des Vermouths schafft.
Dieser Harvard Cocktail, dessen Rezeptur so extrovertiert erscheinen mag, funktioniert ganz fabelhaft als Aperitif aber auch als leichter Digestif und beweist auf wunderbarste Weise, wie wichtig kleine Details sind und welche Relevanz diese haben.
Und eines steht fest: der Harvard Cocktail ist einer jener klassischen Drinks, die man ganz entspannt ein weiteres Mal an der Bar ordern kann. Doch vorher sollte man unbedingt seinen ersten trinken. Es fühlt sich nämlich ein bisschen so an, als würde man sich an einer Universität einschreiben. Und das ist bekanntlich ja immer der Beginn eines neuen Lebensabschnittes.
So wie die Erkenntnis, dass ein Manhattan-Twist mit Cognac und einem Schuss Soda ein wahrlich fantastischer Drink ist, den Du jetzt vielleicht auch öfters genießt.
In diesem Sinne!
Cheers!