Einen Reverse Manhattan zu bestellen, sorgt entweder für fragende Blicke oder für ein andächtiges und respektvolles Schmunzeln: da weiß jemand, wie man im klassischen Sinne leichtalkoholische Klassiker trinkt. Was sich hinter dieser Umkehrung des berühmte Manhattan Cocktails verbirgt, erfährst Du hier in 3 Minuten.
Manhattan – und das kleine Problem einer großen Liebe
Ich liebe Manhattans – dieser legendäre Klassiker aus Rye Whiskey, rotem Vermouth und Angostura Bitters (dessen ganze Geschichte wir hier aufgeschrieben haben), ist einer jener Drinks, die ich immer wieder bestelle. Und zwar in all seinen Varianten.
Das große, nennen wir es mal „Problem“ des Manhattans ist der Fakt, dass man nach einigen Drinks dieses Kalibers schnell angeschlagen und zeitnah KO ist. Schließlich ist es ein hoch potenter Drink mit im Schnitt 50ml Whiskey.
Selbst der Versuch auf einer Bartour mit drei bis vier verschiedenen Bars auch nur in jeder Bar einen Manhattan zu trinken, ist eine große Herausforderung und nicht wirklich zielführend, wenn man am nächsten Tag zeitig aufstehen möchte.
Da ich aber diesen Geschmack, diese Balance aus Süße und Würze so liebe, war ich begeistert, als ich vor vielen Jahren auf den Reverse Manhattan traf.
Reverse Manhattan – mehr als eine Umkehrung
Die Idee, die Verhältnisse zwischen Rye Whiskey und Vermouth im Manhattan einfach umzudrehen, faszinierte mich sofort. Es schien mir perfekt für den dritten oder vierten Drink des Abends und so fing ich an, diesen Drink öfter zu bestellen. Etwas, das sich bis heute kaum geändert hat. Und zum Glück scheint es so, dass ich nicht der Einzige bin, der auf diese wahrlich kluge Idee gekommen ist.
Wann genau aber der Reverse Manhattan entstanden ist, lässt sich gar nicht sagen, da er als Drink eigentlich nie in Karten auftaucht und vielleicht ist es auch gar nicht nötig. Wichtiger ist, dass man weiß, dass es diese Interpretation des Manhattans gibt.
„In my next life I want to live my life backwards. You start out dead and get that out of the way […] You finish off as an orgasm!“
Man muss die Dinge auch mal aus der umgekehrten Perspektive betrachten – so wie Woody Allen.
Der Vermouth als Hauptdarsteller im Reverse Manhattan
In einem klassischen Manhattan Cocktail ist es der Rye Whiskey, der die Hauptrolle spielt und dessen Präsenz durch den Vermouth (im Idealfall) perfektioniert wird. Schon in der ursprünglichen Rezeptur jedoch ist die Wahl des Vermouths von entscheidender Rolle. Und wir bleiben für diesen Gedanken ausschließlich beim klassischen Sweet Manhattan mit rotem, italienischem Vermouth (die Geschichte des Vermouths findest Du hier).
Verdrehen wir jetzt die Verhältnisse für den Reverse Manhattan, so ist es nur logisch, dass die Wahl des Vermouths von noch elementarerer Wichtigkeit ist.
Grundsätzlich empfehle ich immer einen Antica Formula Vermouth. Einfach, weil dieser der große Klassiker ist, eine wundervolle Balance zwischen Süße und Würze mit sich bringt und dabei einen komplexen Körper präsentiert. Für mich ist dieser Vermouth die berühmte sogenannte Eierlegende-Wollmilchsau.
Eine weitere Empfehlung ist der rote Vermouth aus dem Hause Dolin. Dieser französische Vermouth aus Chambéry hat einen wundervoll alpinen Unterton durch feinsten Enzian, der sich mit Rhabarber und Orangen dezent fruchtig präsentiert. In eine ähnliche Richtung spielt auch der heute sehr populäre Cocchi Storico aus Turin.
Wenn Du es etwas würziger und mit einem feinen Bitterhauch magst, dann kannst du dir den Reverse Manhattan auch mit einem Punt e Mes zubereiten. Dies ist eine Mischung aus Vermouth und italienischem Amaro – also Bitterlikör, der heutzutage zu den großen Klassikern der italienischen Barkultur zählt.
Der Whiskey als Leinwand
Die Komplexität des Vermouths als Hauptdarsteller in einem Reverse Manhattan spielt sich auf der Basis von 30ml Rye Whiskey ab. Dieser sollte dafür schon eine stabile Kraft mit sich bringen, aber dies ist durch den Roggenanteil des Whiskeys zumeist eh gegeben.
Hier sind die großen Standard-Ryes perfekt geeignet, von denen Du immer eine Flasche in der Bar haben solltest: Wild Turkey 100 oder Bulleit 95 Rye – mit diesen Flaschen machst Du nie etwas verkehrt. Der Wild Turkey bestimmt mit seinen 50,5% Vol. den Drink etwas mehr, ist aber dadurch, dass er „nur“ 51% Roggen in der Maische hat, wundervoll cremig und breit. Der Bulleit Rye ist mit 45% Vol. etwas zurückhaltender, aber hat mit 95% Roggenanteil eine recht knackige Dynamik.
Und mit knapp 40€ für den Wild Turkey 101 Rye bzw. knapp 30€ für den Bulleit ist das auch alles gut bezahlbar.
Das Rezept für Deinen Reverse Manhattan
Hier nun ein perfektes Rezept für einen Reverse Manhattan – dem perfekten dritten oder vierten Drink des Abends:
- 30ml Rye Whiskey
- 60ml roter Vermouth
- 2 dashes Angostura Bitters
Das Ganze auf kaltem Eis verrühren und in eine vorgekühlte Coupette geben. Mit einer Orangenzeste aromatisierten und genießen. Wer es etwas süßer mag, der kann hier gerne eine Maraschino-Kirsche dazu geben.
Mit diesem Drink kann man sich ganz wundervoll zurücklehnen und als musikalische Untermahlung empfehle ich von ganzem Herzen Mr. Tom Waits mit seinem unnachahmlichen I never talkt to strangers.
Ein wundervoller Song, passend zu einem Drink, der vielleicht nicht ganz so leichtalkoholisch ist wie eingangs behauptet – der aber eine wundervolle Umkehrung eines großen Klassikers ist.
Cheers.