Der Southside Cocktail ist ein ambivalenter Drink, der trotz seines Schattendaseins in Europa dennoch das Potential zum Everybody‘s-Darling hat. Darüber hinaus umringen ihn Gangster-Geschichten und das Feeling, den wohl sommerlichsten Drink ganz Long Islands im Glas zu haben. Oder ist doch alles ganz anders? Warum Du unbedingt einmal den Southside Cocktail ausprobieren solltest, welche Varianten es gibt und wie Du beide am besten mixt, das erfährst Du hier in 6 Minuten. Und dazu die ein oder andere Räuberpistole – eiskalt serviert.
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Die Prohibition und ihr dankbarer Reichtum an Geschichten
Normalerweise fangen die meisten Cocktailgeschichten irgendwo in New York City an. Und keine Bange, die niemals schlafende Stadt ist auch für die Geschichte des Southside eine wichtige Stadt, doch unsere Geschichte beginnt in Chicago. Windy City zu Zeiten der Prohibition ist nämlich die Stadt, in der eine der Mythen um diesen in den USA allerorten bekannten Drink spielt.
Und eine der Hauptrollen in diesem Spiel hat niemand geringeres inne als der legendäre Al Capone – der Mafiaboss des berühmt-berüchtigten Chicago Outfits. Natürlich spielt unsere Anekdote zur Zeit der Prohibition, dem noblen Experiment zur Verhinderung jedweden Rausches, das so glänzend scheitert und dem wir so viel liquide Geschichte und Geschichten verdanken. Ein großer Dank gilt daher grundsätzlich einmal den amerikanischen Präsidenten Warren Harding und Calvin Coolidge.
Die Southside von Chicago
Damals ist Alphonse Gabriel Capone der Boss der Gangs von Chicago. Jene Stadt, die als durch und durch korrupt gilt. Capones Revier ist die südliche Innenstadt, die sogenannte South Side unterhalb der Interstate 55. Die Gangs dieser Bezirke sind nicht mehr oder minder gewalttätig oder in sonstige illegale Dinge verwickelt als ihre Pendants im Norden der Stadt. Sie haben wohl nur den schlechteren Gin. Schwarzgebrannt natürlich. Während die Mobster der North Side zur Genießbarkeit ihres geschmuggelten und dubiosen Alkohols nur Ginger Ale benötigen, um diesen populär zu machen, muss man sich im Süden etwas einfallen lassen, denn die Qualität verlangt nach mehr Überdeckung.
Und so beginnen Sie ihren Gin mit Zitrone, Zucker und Minze zu mixen und nennen diesen Drink, der noch mit etwas Soda aufgefüllt wird wie ihre „Arbeitsstätte“: Southside. Der Drink wird so populär, dass er zu Al Capones Lieblingsgetränk wird. Wie passend!
Zum Glück gibt es wundervolle Geschichten und Erzählungen zu Al Capone, der Mafia und dem Alkohol. Wahre als auch erdachte. Und diese hier zählt eher zu den erdachten. Denn der Southside (als Drink) beginnt seine Geschichte nicht im mafiösen Chicago, sondern eher im mondänen Long Island. Mal wieder New York also.
Als kleine Anekdote soll jedoch nicht unerwähnt gelassen werden, dass Mr. Al Capone seinen 21. Geburtstag – also den Tag, mit dem man offiziell Alkohol trinken darf in den USA – am 17. Januar 1920 feiert. Genau mit dem ersten Tag an dem die Prohibition ihre Gültigkeit hatte. Was für ein Zufall!
Long Island, Gin Fizz und ein amerikanischer Mojito
Mit etwas mehr Wahrscheinlichkeit gesegnet ist die Geschichte, dass der Southside Cocktail Anfang des 20. Jahrhunderts auf Long Island in einem Club entsteht, der Ende des 19. Jahrhunderts als Snedecor‘s Tavern gegründet wurde und später als Southside Sportsman’s Club Berühmtheit erlangt. Mit illustren Gästen wie Ulysses S, Grant oder W.K. Vanderbilt.
Dort wird der damals schon bekannte Gin Fizz (eine kurze Geschichte dazu findest Du hier) kurzerhand mit Minze erweitert und bekommt somit eine Abwandlung, die uns direkt an den wohl berühmtesten aller Sommerdrinks denken lässt: dem Mojito (dessen Geschichte wir hier für Dich aufgeschrieben haben).
Gin, Zitrusfrische, etwas Zucker und frische Minze. Dazu ein Schuss Soda – ganz ehrlich: allein schon die Vorstellung davon erzeugt bei mir einen wohligen Schauer, der mich unbedingt dieses Getränk probieren lassen will. Vor allem, wenn das Thermometer wieder regelmäßig die 30°C erreicht. Und in der Vorstellung liege ich dann an einem der Strände von Long Island. Der Southside Cocktail ist somit die absolut erfrischende und legitime Preppy und Old-Money-Style Variante des Mojitos: etwas spießig, aber dennoch verlockend erfrischend.
Southside Cocktail – das erste Rezept und ein New Yorker Club
Vielleicht wäre der Southside Cocktail als Drink immer so ein Long Island Phänomen geblieben, wenn, ja, wenn es New York City nicht gäbe. Irgendwie gelangt der ‚Sommer zum Trinken‘ in die Metropole und in den legendären 21Club. Offiziell wird diese kulinarische Instanz New Yorks im Jahr 1930 gegründet, doch schon während der Prohibition war 21 West 52nd Street eine der Speakeasy Bars der Stadt, jene Flüsterkneipen, in denen es Drinks mit Alkohol gab.
Im 21Club jedenfalls wird der Southside Cocktail schnell zu einer populären Empfehlung für alle Gäste – schmeckt er doch auch fast jedem. Und das macht ihn auch aus. Er ist durch seine balancierte Süße und Säure sowie die erfrischende Minze und die belebende Perlage des Sodas einfach ein herrlich erfrischendes Getränk, dass trotz oder gar Dank des Gins darin perfekt zu einem warmen Sommertag passt.
Und im 21Club trifft dieser Drink auf die ganze Stadt – vor allem die einflussreichen New Yorker der Politik und Wirtschaft verkehren dort. Er ist auch das Restaurant der amerikanischen Präsidenten, denn angeblich hat dort – bis auf George W. Bush – jeder amerikanische Präsident seit dem Jahr 1933 gespeist. Leider wird der amtierende Präsident der letzte gewesen sein, der dieser Tradition folgte, denn mit Corona und den besonderen Belastungen schloss der 21Club im Jahr 2020 seine Pforten – bis heute.
Der 21Club gehört seit dem Jahr 2018 der Hotelgesellschaft Belmond Ltd. – einer Tochterfirma des berühmten Luxuskonglomerats LVMH und es gibt immer mal wieder Gerüchte, dass Belmont die Legende wieder zum Leben erwecken möchte. Es wäre nicht der erste besondere Ort, dem man wieder Leben einhauchen würde.
Doch widmen wir uns wieder dem Southside Cocktail.
Southside Cocktail und das Milk & Honey
Der Drink entwickelt sich im 20. Jahrhundert zu einem Klassiker der amerikanischen Barkultur und wird eigentlich überall angeboten. Ein bisschen so wie bei uns Mojito, Caipirinha oder Cuba Libre. Sicherlich viel zu oft mit erschreckender Langeweile und minderer Qualität im Glas. Dabei verspricht dieser Drink so viel. Ganz abgesehen von Sommern auf Long Island.
Dies ist wohl auch die Erkenntnis von Sasha Petraske, dem berühmten Gründer des Milk & Honey – einer der stilprägendsten Bars des Beginns der Cocktailrenaissance (dieser Bar verdanken wir unter anderem die Wiederentdeckung des Last Word und dessen Twist dem Paper Plane Cocktail).
Doch im Milk & Honey geschieht etwas mit dem Southside Cocktail, was ihn für immer verändert: er bekommt eine neue Form. Weg von einem auf Eis servierten Fizz hin zu einem Shortdrink.
Fizz? Shortdrink? Etwas Rezeptwissen um deinen nächsten Drink kann nicht schaden!
Der Southside – ein mainstream Fizz
Das älteste schriftliche Rezept eines Soutside Cocktails ist aus dem Jahre 1916. In der Rezeptsammlung „Recipes for Mixed Drinks“ von Hugo Ensslin findet sich die Rezeptur eines South Side Fizz (hier noch getrennt geschrieben), welches sehr wahrscheinlich der Art und Weise entspricht, wie dieser Drink auf Long Island und später in New York gemixt wurde.
- Saft einer halben Limette
- Saft einer halben Zitrone
- 1 Teelöffel Puderzucker
- 1 Glas Dry Gin
- Frische Minze
Über die exakten Mengen und vor allem warum zweierlei Sorte Zitrusfrüchte Verwendung finden, können wir nur spekulieren. Aber eines steht fest: mit dieser Rezeptur etabliert sich der Southside Cocktail, der ja ganz offiziell ein Fizz (also Spirituose, Zucker, Säure und Sprudelwasser) ist, in der amerikanischen Bargeschichte.
Und ehrlicherweise kann niemand die Nähe zum Mojito leugnen. Doch während der kubanischen Klassiker weltweit gefeiert wird, fliegt der Southside immer etwas unter dem Radar.
Und zugleich ein moderner Gimlet
Die gängige Struktur des Southside Cocktails wird erst Anfang der 2000er Jahre geändert. Und zwar recht resolut.
Um die Stilistik des Drinks der Neuzeit anzupassen, in der Drinks in Coupetten serviert werden (Martinis, Manhattans, Margaritas), wird aus dem Fizz eine Art Gimlet-Twist. Oder vielleicht sogar ein ohne Eis servierter Smash?
Alles egal – Sasha Petraske serviert im Milk & Honey den Southside als Gimlet. Dabei bleibt das Grundrezept nahezu identisch.
Gin, Zucker, Zitrussäfte und Minze werden geschüttelt und in ein kleines Stielglas abgeseiht und mit etwas Soda (max. 10ml) aufgefrischt. Dadurch entsteht ein Drink, der schnell und zügig getrunken werden sollte, da er ohne zusätzliche Eiskühlung serviert wird. Warum im Milk & Honey hier die Gimlet-Idee formuliert wird, ist leider nicht überliefert. Ändert aber nichts daran, dass diese zweite Variante eine großartige Version für die vorangeschrittene Zeit ist, während der klassische Fizz ein perfektes Beispiel für Day-Drinking-Drinks abgibt.
Es ist auch ungeklärt, warum die Zitrussäfte geteilt sind – also warum Zitronen- und Limettensaft benutzt wird.
Der Southside Cocktail und seine beiden Rezepte
Sicherlich bleibt die Rezeptur des Southside Cocktails gleich – egal ob Du ihn klassisch als Fizz servierst oder modern als Shortdrink. Und dennoch würde ich jeweils eine Kleinigkeit anpassen.
Daher hier mein Rezept für den Southside Fizz
- 60ml The Botanist Gin (was diesen Gin so besonders macht, erfährst Du hier)
- 30ml Zitronensaft
- 20ml Sirop de Gomme – dieser besondere Sirup macht den Drink einfach etwas dichter und garantiert einen wundervollen Körper, auch wenn etwas mehr Soda im Drink landet.
- Eine Hand voll frische Minzblätter
Alles vorsichtig auf Eis schütteln und unbedingt doppelt auf frisches Eis abseihen. Mit Soda auffüllen und mit einem Zweig frischer Minze garnieren.
Für die Nachtvariante des Southside Cocktails – also den Shortdrink mixt Du:
- 60ml The Botanist Gin
- 25ml Zitronensaft
- 15ml Zuckersirup
- Eine Hand voll frische Minzblätter
Dies servierst Du am besten in einer gekühlten Coupette (was ist das eigentlich für ein Glas?) und aromatisierts den Drink einfach nur mit einer Zitronenzeste.
Preppy-Sommer-Looks und etwas Town&Country in New York City.
Mit dem Southside Cocktail – egal ob als Fizz oder als Shortdrink hältst Du eine erfrischende Instanz amerikanischer Barkultur in der Hand, die Dir großartig helfen wird, heiße Tage und Nächte gut erfrischt zu überstehen. Doch Vorsicht: dieser Drink hat extremes Nachorder-Potential! Also vergewissere Dich, dass Du ordentlich viel Eis und Minze im Haus hast – bei Gin und dem Rest mache ich mir bei Dir eh keine Gedanken.
Und egal ob in düsteren Ganovenbars oder dem mondänen Strandhaus auf Long Island oder am Starnberger See – mit dem Southside ist alles ein bisschen old-money-style. Das würde sogar an der Spree in Berlin funktionieren.
Cheers!
Alle Produktnennungen im Artikel sind ohne jegliche Zusammenarbeit getätigt. Niemand hat für irgendwas gezahlt.