Der Bronx Cocktail ist der dritte Drink aus der New York Anthologie hier auf unserem Blog. Doch während alle anderen Drinks dieser einzigartigen Reihe eine sehr definierte Nähe zum Manhattan Cocktail als dem ältesten Drink aufweisen, ist der Bronx Cocktail eine Ausnahme, die es sich jedoch mehr als lohnt, genauer zu Betrachten. Was hinter diesem besonderen Drink steckt und wie Du ihn am besten selber mixt, erfährst Du hier in 5 Minuten.
Das berühmte Old Waldorf Astoria Hotel
Wie bei wenigen anderen Drinks lässt sich die Entstehungsgeschichte des Bronx Cocktails wohl recht gut verorten: 5th Avenue und 34. Straße West. Hier in Manhattan – immer wieder Manhattan – stand eines der berühmtesten Hotels New Yorks des ausgehenden 19. Jahrhunderts: das Waldorf Astoria.
Entstanden ist diese gastgeberische Institution durch eine Fusion der Hotels Waldorf (eröffnet im Jahr 1893) und des Hotels Astoria (eröffnet im Jahr 1897). Diese beiden direkt nebeneinander gelegenen Häuser wurden 1897 – kurz nach der Eröffnung des Astorias durch einen 300 Meter langen Korridor, der heute berühmten Peacock Alley, miteinander verbunden.
Schnell stiegt das Hotel und das dazugehörige Restaurant – The Empire Room – zu einem zentralen Treffpunkt der High Society auf und wurde neben dem schon einmal erwähnten Delmonico’s zu einem der renommiertesten kulinarischen Hot Spots der Stadt.
Der Bronx Cocktail und seine beiden Erfinder
Zu einem berühmten Restaurant gehörte natürlich auch eine Bar und an dieser wurde ,den meisten Quellen zufolge, der Bronx Cocktail erfunden. Es sind jedoch zwei Namen, die hierbei immer wieder auftauchen.
Die erste schriftliche Erwähnung des Bronx Cocktail findet sich am 15. Februar 1901 in der „The Virginia Enterprise“ im Rahmen einer Liste von Barleuten. Die Aufzählung eines Expertengremiums veranlasste den Autor des Artikels, die Reputation der jeweiligen Barkeeper mit ihren berühmtesten Kreationen zu untermauern. Und so findet sich dort der Name JE O’Connor (John „Curly“ O’Connor) mit dem Verweis, dieser sei der Erfinder des Bronx Cocktails.
O’Connor arbeitete seit der Eröffnung 1893 im Waldorf und war dort Barchef. Er machte sogar den nötig gewordenen Umzug des Hotels mit, nachdem es 1929 abgerissen wurde (um Platz für den Bau des heute berühmten Empire State Buildings zu schaffen) und an die 301 Park Avenue zog. Hier befindet es sich bis heute.
Der zweite stets auftauchende Name – auf den auch unter anderem in Harry Craddocks Savoy Cocktail Buch hingewiesen wird – ist Johnnie Solon oder Solan. Solon war ab 1899 Bartender und soll den Drink im Jahr 1906 kreiert haben.
Ein erstes Rezept aus Pennsylvania
Beide Namen tauchen immer wieder auf, doch leider ist von keinem ein Rezept des Bronx Cocktails erhalten. Die erste dezidierte Auflistung der Rezeptur findet sich in dem 1908 erschienen Buch „World Drinks and how to mix them“ von William T. Boothby, in dem auf einen gewissen Billy Malloy aus Pittsburg in Pennsylvania verwiesen wird. Dies allerdings ist die einzige Quelle mit diesem Namen.
Dieses Rezept beinhaltet:
- 1/3 Plymouth Gin
- 1/3 französischen Vermouth
- 1/3 italienischen Vermouth
- 2 Dashes Orange Bitters
- 1 Barlöffel Orangensaft
The Old Waldorf-Astoria Bronx Cocktail
Es vergehen einige Jahre, bis im Jahr 1931 Albert Stevens Crockett ein gesamtes Kompendium der Geschichte des alten Waldorf-Astorias mit dem Titel „Old Waldorf Bar Days“ veröffentlicht. In diesem geschichts- und geschichtenträchtige Werk findet sich natürlich auch das offizielle Bronx Cocktail Rezept:
- 1/4 italienischer Vermouth
- 1/4 französischer Vermouth
- 1/2 Gordon Gin
Crockett selber verweist darauf, dass dies das aktuelle Rezept sei (so findet es sich auch u.a. im Savoy Cocktail Buch). Der originale Drink von Johnnie Solon bestand aus einem Drittel Orangensaft und zwei Dritteln Gin, denen man je einen Dash französischen und italienischen Vermouth beimischte.
Die Bronx, der Zoo und ein Hotel in Manhattan
Wie auch immer die originale Rezeptur des Bronx Cocktails ausgesehen haben mag, ein bisschen spannender ist aber die Frage, warum ausgerechnet ein Barmann in einem der luxuriösesten Hotels in Manhattan diesen Namen wählte. Während es im Falle des Brooklyn Cocktails (ein weiterer New York Cocktail, dessen Geschichte wir hier aufgeschrieben haben) die Hommage an den Chef war, so ist es im Falle des Bronx Cocktails ein wenig anders.
Die Inspiration zum Namen des Drinks kam wohl während des Besuchs des im Jahr 1899 eröffneten Zoos in der Bronx.
Ursprünglich war die Bronx eine kleine Ortschaft nördlich von Manhattan. Ihr Name leitet sich vom schwedischen Siedler Jonas Bronck ab, der dort im Jahr 1639 als erster Europäer eine Siedlung gründete. Am 10. Januar 1874 wurde diese Ortschaft offizieller Teil von New York und der bis heute nördlichste Stadtteil und der zweitkleinste bezogen auf die Einwohnerzahl.
Im Jahr 1899 eröffnete in der Bronx der Zoo, welcher damals mit 843 Tieren begann und heute auf 107 Hektar mehr als 4.300 Tiere aus 765 verschiedenen Arten präsentiert. Der Zoo Bronx ist damit heute der größte innerstädtische Zoo der USA.
Johnnie Solon soll diesem besonderen Ort seinen Drink gewidmet haben, aber wohl eher in Bezug auf das dort beobachtete Verhalten und den Vergleich zu beschwipsten Gästen auf Partys im Waldorf-Astoria.
Der Bronx Cocktail ist kein Manhattan
Das spannende am Bronx Cocktail ist die Tatsache, dass er im Gegensatz zu allen anderen Drinks der New York Cocktail Anthologie nicht der Grundstruktur eines Manhattan Cocktails entspricht.
Vielmehr ist eine Ähnlichkeit zum Martini Cocktail zu erkennen durch die Verwendung von Gin und Vermouth. Und tatsächlich sind heute gängige Rezepturen – wie auch unsere – eine spannende Umsetzung eines Perfect Martinis. Also eines Martini Cocktails mit sowohl italienischem als auch trockenem, französischen Vermouths. Das Ganze dann einfach erweitert um etwas Orangensaft.
Und dieser Orangensaft ist es (leider) auch, der heute der Popularität dieses Drinks im Weg zu stehen scheint. Noch 1934 war der Bronx Cocktail der drittbeliebteste Cocktail in den USA – nach dem Martini Cocktail auf Platz eins und dem Manhattan Cocktail auf Platz zwei.
Im Zuge der Cocktail Renaissance der 2010er Jahre wurde Saft, kam er nicht als dezidierte Säure in Drinks, zu einem Relikt vergangener Tage. Vor allem Orangensaft verkam oftmals zu einer Zutat illustrer Anekdoten über Tequila Sunrises oder Harvey Wallbanger der 1990er Jahre. Vielleicht auch deswegen, weil man frisch gepressten Orangensaft und die teilweise benötigten Menge gar nicht erst in einer gut laufenden Bar abbilden kann. Dabei können Drinks damit unglaublich erfrischend sein. Wie das Beispiel des Bronx Cocktails zeigt.
Ein modernes Rezept des Bronx Cocktails
Tatsächlich sind es drei Dinge, die entscheidend für die Qualität des Bronx Cocktails sind: der passende Gin, frischer Orangensaft und dass der Drink gerührt wird.
Als Gin solltest Du einen klassischen, wacholderdominierten Gin wie einen London Dry Gin nutzen. Den Plymouth Gin aus dem Rezept von Boothby aufzugreifen ist eine tolle Idee, da er eine unglaubliche Dichte und Textur mit sich bringt, aber auch Gins wie ein Tanqueray London Dry (kein Tanqueray No. Ten – zu viel Zitrusaroma) oder ein The Botanist Gin funktionieren hervorragend. Wenn Du an eine Flasche Gordons Gin mit 47% Vol. kommst, bist Du dem ursprünglichen Rezept sehr nahe.
Der Orangensaft muss unbedingt frisch sein, denn abgepackte und haltbar gemachte Säfte verblassen und lassen den Bronx Cocktail zu einer irrelevanten Mischung werden. Die Eleganz und Fruchtigkeit ist in diesem Drink von entscheidender Bedeutung – auch wenn die Menge des zu nutzenden Saftes überschaubar ist.
Der dritte Punkt ist die Herstellung. Der Bronx Cocktail sollte unbedingt gerührt werden, da das Schütteln in einem Shaker zu viel Luft in den Drink bringt und die texturelle Leichtigkeit dem Wacholder des Gins zu viel Platz gibt. Dadurch wird der Drink sehr kantig und eckig – das Ziel jedoch ist beim Bronx Cocktail eine wundervoll weiche Balance.
Hier nun unser Bronx Cocktail Rezept:
- 50ml The Botanist Gin
- 15ml Dolin Dry Vermouth
- 15ml Antica Formula
- 3 Barlöffel frischer Orangensaft
- 2 Dashes Orange Bitters
Das alles auf Eis kalt gerührt und in eine gekühlte Coupette abgeseiht. Mit einer Orangenzeste aromatisiert und serviert.
Die Tiefe und Komplexität der beiden Vermouths in diesem Drink ist beeindruckend und spielt sich auf dem Fundament, welches der Gin bildet, brillant ab, während der Orangensaft für eine wundervoll erfrischende Fruchtigkeit sorgt.
Ein perfekter Martini Cocktail für den Brunch und auf jeden Fall wert, ihn des Öfteren selber zu mixen. Und ob man sich dann wie die Affen im Zoo verhält – nun, das hängt wohl von der Menge der Bronx Cocktails ab. Aber ein zweiter Drink ist schnell gerührt.
Cheers!