Ein wirklicher Geheimtip für Calvados-Liebhaber ist der Calvados Herout Heritage 12 Jahre. Auch wenn es Ihn eigentlich nur in Frankreich gibt, so sollte man unbedingt versuchen, davon mal einen Schluck zu probieren – ein wirkliches Vergnügen! Erstmals auf spirit-ambassador.de erschienen, liegt die Lesezeit bei diesem Beitrag bei ca. 4 Minuten.
Das Angebot an qualitativ hochwertigem Calvados ist in Deutschland leider nicht allzu groß, dabei bietet die Normandie, die Heimat des berühmtesten Apfelbrandys der Welt eine schier unendliche Breite an großartigen Produkten unterschiedlichen Alters. Die meisten Calvados’ werden sicherlich eher jung getrunken und sind mit weit über 50% nicht älter als 5 Jahre – das Mindestalter bei Calvados beträgt zwei Jahre. Diese Qualitätsstufe wird häufig mit fine betitelt. Wenn konkrete Altersangaben auf einer Flasche zu finden sind, dann bedeutet dies, dass das jüngste eau-de-vie darin für diese Zeit gereift ist. Häufig sind auch noch ältere Destillate verarbeitet, so dass die Altersangabe von 12 Jahren schon zu den deutlich älteren Abfüllungen gehört – so auch im Hause von Marie-Agnes Herout.
Von der Zeit
Zeit ist nicht nur für die Reife von Calvados entscheidend, sondern für das grundsätzliche Verständnis dieser Brände. Schließlich – um es in den eigenen Worten von Marie-Agnès zu sagen – bedarf es der Arbeit einer Generation, einen gereiften Calvados im Glas zu haben.
Allein die Anpflanzung und das Wachstum der Bäume nimmt beträchtliche Jahre – bis zu 10 Jahre benötigt ein Apfelbaum hier im Norden Frankreichs, um das erste Mal verarbeitbare Früchte zu tragen. Dann die lange Prozedur der Cidre Herstellung, die hier auf dem Contentin über ein Jahr dauert, um dann erst aus dem berühmten Apfelwein das ersehnte Destillat zu brennen. Und erst dann beginnt die Reife in alten Fässern. Das bedeutet, dass dieser Calvados im Alter von 12 Jahren eine wesentlich längere Geschichte hinter sich hat und von Bäumen stammt, die schon sehr sehr lange dem Wind der Nordküste standhalten.
Die Bühne gehört dem Apfel
Nicht nur die Zeit, in der die eaux-de-vie reifen ist entscheiden – es ist vielmehr die Frage der Fässer, die sich später deutlich auf das Aromabild auswirkt. Dabei gibt es kaum ein Richtig oder Falsch, sondern vielmehr eine jeweilige Philosophie, die sich auf die Stilistik der Früchte, des Cidre und der Art und Weise der Destillation bezieht.
Marie-Agnès Hérout vertraut dabei auf alte, gebrauchte Fässer mit einem Volumen von 200 Litern. „I like second hand casks“ hat sie mir einmal verraten. Der Vorteil gebrauchter Fässer – ähnlich wie bei Cognac – liegt darin, dass sie deutlich weniger Holzaromen auf das Destillat geben, sondern diesem viel mehr Freiraum gewähren zur Entfaltung. Dies merkt man den Calvados’ von Marie-Agnès an.
Von Früchten, Blüten und Holz
In einem leuchtenden Kupfer-Gold glänzt der Calvados im Glas. Mit dem ersten Augenblick hat man Apfelaromen in der Nase – Noten von saftigen, reifen Äpfeln. Dazu eine merkliche Struktur von Fassaromen – allen voran Vanille und dieses typisch harte Eichenprofil, was allzu oft hilft, die Struktur der Fruchtigkeit in geordnete Bahnen zu bringen. Dazu Gewürze.
Das Holz spielt seine Energie voll aus, in der man förmlich riecht, wie die Früchte zu ihrer Reife gelangen. Er wirkt erstaunlich trocken in der Nase mit einer enormen Struktur, die sich jedoch nicht allzu cremig zeigt. Und dennoch strahlt dieser Calvados eine erhabene Ruhe aus, die mit der Zeit die Gewürze verstärkt. Neben der Fruchtigkeit findet sich allmählich auch eine florale Aromatik, die tatsächlich an Apfelblüten erinnert und ein Bouquet entwickelt, in welches man sich am liebsten werfen möchte. Eine fabelhafte Balance, die sich zwischen dieser Opulenz und der antizipierten Trockenheit etabliert.
Es lebe die Balance
Im Mund zeigen sich zuvorderst die reifen Lageräpfel. Hier offenbart sich die Bedeutung der Säurestruktur der lokalen Varietäten, schließlich stellt sich immer noch eine filigrane Finesse dar. Das Holz bringt deutlich Wärme mit sich, welche einen erstaunlich breiten Körper erzeugt. Die Textur mäandert zwischen cremig und trocken hin und her und wird ergänzt durch eine Frische am Gaumen, die nach all der Wärme sofort Lust auf Mehr macht.
Mit der Zeit wird der Geschmack weicher, ohne dass die würzigen Akzente verblassen. Die Frucht strahlt eine unglaubliche Erwachsenheit aus und bindet das Holz elegant und charmant ein – oder andersherum. Im Nachklang zeigt sich ein weiteres Mal die große Komplexität des Calvados und ziert sich mit Sandelholznoten.
Die Erfahrung
Schon jetzt zeigt sich, wie besonders und großartig dieser 12jährige Calvados von Marie-Agnès Hérout ist. Und doch lohnt es sich – wie bei eigentlich allen Calvados’ der Zeit ihre magische Wirkung zu lassen. Calvados braucht einfach Zeit zum Atmen, denn später öffnet sich dieses wunderbare Getränk noch mehr. Und Zeit spielt hier oben im Norden Frankreichs eine untergeordnete Rolle – zumindest, wenn es um Genuss geht.
Es offenbart sich irgendwann – das Glas stand nunmehr 30 Minuten – eine dunkle Ruhe und Energie. Eine feine Floralität zeigt sich in der Nase – was typisch ist für die Brände von Hérout – und dazu altes Obstholz. Man könnte sogar fast meinen, ein wenig Rauch zu erahnen. Dabei wird die Frucht immer süßer voll erwachsener Kraft und Eleganz, zu der sich Röstaromen gesellen. So nah wie die Assoziation Apfelkuchen auch bei vielen Calvados’ liegt, so speziell ist sie hier zu finden.
Dieser 12jährige Calvados zeigt aufs Beste hin, was bei einer wirklich ausgezeichneten Arbeit in den Plantagen, aber vor allem in der Cidrerie und der Destillation möglich ist. All dies wird so perfekt inszeniert durch die gebrauchten Fässer, dass am Ende ein leeres Glas vor mir steht und ich mich freue, den Stift beiseite legen zu können, um jetzt nur für mich diese Reise noch einmal Revue passieren zu lassen.
Allgemeine Informationen
- Hersteller: Herout Cidres & Calvados
- Alter: 12 Jahre
- Alkoholgehalt: 42% Vol.
- Farbstoff: Nein
- Kühlfiltration: Ja
Es gibt Dinge, die kauft man sich selbst – diese Flasche Calvados zählt dazu.