Dieser ursprünglich auf spirit-ambassador.de erschienene Artikel porträtiert die schottische Highlandbrennerei Glenmorangie. Die durchschnittliche Lesezeit beträgt 5 Minuten.
Über Destillerien zu schreiben gehört vielleicht zu den komplizierteren Dingen, die man als Autor zu tätigen hat. Vor allem, wenn man das Produkt besonders mag und schon gar, wenn man sich selber eingestehen muss, dass im übertragenen Sinne auch andere Mütter schöne Töchter haben. Im Vorhinein sei gesagt, dass ich noch nie einen schlechten Whisky getrunken habe. Es gibt sicherlich einige, die mir besser schmecken als andere, aber zumeist ist dies eher eine Frage des Timings und des Settings.
Und dennoch gibt es Einige, die einem noch ein bisschen besser schmecken als die vielen anderen, die alle großartig sind. Eine dieser Destillerien, die es schon vor vielen Jahren geschafft hat, meinen Gaumen und mein Herz zu erobern ist Glenmorangie.
Von den Ursprüngen bis heute – ein kurzer Blick in die Geschichte
Wie so häufig, ist das angegebene Jahr auf einer Flasche Scotch Whisky nicht allzu oft auch das Jahr der tatsächlichen Gründung einer Destillerie. Zumeist handelt es sich dabei vielmehr um das Jahr, in dem diese offiziell lizensiert und steuerlich legalisiert wurde. Ein bisschen konkreter ist es bei Glenmorangie schon, denn hier ist es tatsächlich das Jahr 1843, in dem die Destillerie von William Matheson gegründet wurde – auch wenn es Belege gibt, dass in der Stadt Tain (ca. 65 km nördlich von Inverness) schon um 1700 illegal destilliert wurde.
Auf dem Gelände der Farm von Morangie wurde zuvor Bier gebraut, doch mit der Erfahrung aus der naheliegenden Balblair-Destillerie kam Matheson hier in das Tal der Ruhe (‘Glen’ bedeutet im Gälischen ‘Tal’, während ‘Morangie’ sich ableiten lässt vom engl. ‘tranquility’ – zu deutsch: ‘Ruhe’) und einige Jahre später wurde der erste Whisky gebrannt. Seit diesen ersten Tagen produziert man dort in Tain einen besonderen Whisky oder besser ausgedrückt: man produziert auf eine besondere Art Whisky. Zum einen nutzt man mit dem hauseigenen Wasser der Tarlogy-Quelle im Gegensatz zu vielen anderen Destillerien ein hartes Wasser; zum anderen arbeitet man seit der Gründung mit extrem hohen Brennblasen. Die 5,14m hohen Pot Stills – ehemalige Gin-Brennblasen – sind die höchsten Schottlands und lassen einen ehrfürchtig werden.
Es wird in den unzähligen Reiseführern über Schottland allzuoft vom sogenannten kathedralen Charakter der still rooms gesprochen. Bei Glenmorangie erlebt man wahrlich eine Kathedrale liquider Geister, wenn man zwischen den beiden Reihen der wash- und spirt-stills steht – ein wirklich beeindruckendes Schauspiel aus geputztem Kupfer und reflektierter Sonne.
Durch die enorme Höhe, die der Alkohol erringen muss, entsteht ein Rohbrand, der im Vergleich zu deutlich niedrigeren Blasen (Macallan z.B.) enorm fein, leicht und fruchtig ist, so dass er in verdünntem Zustand auch gerne mal in ein Obstbrand-Tasting geschmuggelt werden kann. Dies ist eines der geschmacklich wichtigsten Elemente von Glenmorangie und der Ursprung des floral-fruchtigen Hausstils.
Von großen Ideen, der Welt, Fässern und dem Wissen um Herkunft und Heimat
Schon frühzeitig erkannte man bei Glenmorangie das Potential der hergestellten Whiskys und exportierte diese weiter als nur bis in die nächste große Stadt. Ende des 19. Jahrhunderts hatte man bereits Liefervereinbarungen in die neuen Welt. So wurde zum Beispiel schon in den 1880er Jahren Glenmorangie Whisky im Rotary Club in San Francisco getrunken und damit das Fundament für einen der beliebtesten Single Malt Scotch Whiskys der Welt gelegt und dem meistgetrunkenen Single Malt Schottlands. Doch nicht nur auf der Seite der Vermarktung ging man neue Wege, auch und vor allem in der Herstellung steht der Name Glenmorangie wie kaum ein anderer für Innovation und Streben nach Perfektion.
Ungefähr zeitgleich mit anderen modernen Destillerien wie The Balvenie arbeitete man Mitte des 20. Jahrhunderts an einem finishing-Programm. Während knapp 93% aller schottischen Whiskys in ehemaligen Bourbon-Fässern reifen (und somit ein ziemlich ähnliches Fass-Aromen-Profil erlangen), wollte man mit Hilfe von Weinfässern, Sherry- oder Portfässern, bis hin zu Calvados- oder Rumfässern neue Aromen in die Kategorie Scotch Whisky bringen. Und so destillierte man im Jahre 1963 einen Whisky, der dafür gedacht war, seine letzten Jahre der Reifung in Oloroso-Sherry-Fässern zu verbringen. Dies war einer der ersten lancierten Sherry-nachgereiften Whiskys Schottlands, dem noch viele folgen sollten und auch noch weiterhin werden. Mit dieser Idee wurde eine Tür aufgestoßen, welche durch Kreativität und dem Drang nach immer spannenderen Aromen sich stets ein bisschen weiter öffnet und die Kategorie Single Malt Scotch Whisky noch über viele Jahre lebendig bleiben lassen wird. Einen kleinen Ausblick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten bietet dabei zum Beispiel die Glenmorangie Private Collection – eine Sammlung limitiert abgefüllter Whiskys, die versuchen, die Grenzen von Whisky neu zu definieren und unbeschrittene Wege zu gehen. Diese Philosophie war schon immer Bestandteil des Denkens und Arbeiten bei Glenmorangie und wird durch Dr. Bill Lumsden – als Director of Distilling and Whisky Creation – weitergeführt und beständig weiterentwickelt.
Doch nicht nur auf der Seite der Vermarktung ging man neue Wege, auch und vor allem in der Herstellung steht der Name Glenmorangie wie kaum ein anderer für Innovation und Streben nach Perfektion.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Arbeit, die man vor Ort leistet, ist genau jene des Fass-Managements. Denn Fässer haben eines mit Teebeuteln gemein: je öfter man sie benutzt, desto weniger Aroma geben sie ab. Und da das Holz der Fässer für bis zu 70 Prozent des Geschmacks von Whisky verantwortlich ist, legt man auch hier größten Wert auf die Qualität. Dies ist der Grund, warum man bei Glenmorangie Fässer maximal zwei Mal verwendet. Dieses Wood-Management, wie man es nennt, wird bei Glenmorangie nicht nur als Handwerk verstanden, sondern vielmehr als Kunst zelebriert.
Nun möchte man meinen, dass ein solch traditionelles Getränk – wie es Scotch Whisky nun einmal ist, auch ein wenig konservativ und ruhig behandelt werden muss, damit es seinen Wurzeln gerecht wird. Wer sagt denn, dass Modernität und Tradition, Innovation und das Bewusstsein um Herkunft nicht Hand in Hand gehen können.
Diese Ambivalenz tritt bei Glenmorangie sehr offen zu Tage – insbesondere bei dem von Glenmorangie verwendeten Markenzeichen, dem Signet. Dieses lässt sich auf jeder Flasche Glenmorangie finden und ist nicht etwa ein teueres Design-Objekt einer Grafikagentur oder der Feder der Marketing-Abteilung entsprungen, sondern ein Relikt aus dem 8. Jahrhundert – aus der Zeit der Pikten. Diese bevölkerten auch die Region um die Stadt Tain und hinterließen uns unter anderem den Catboll Stone – eine knapp 4m hohe Steinplatte, deren unteres Drittel genau dieses Signet bildet. Ein historischer Jagdkalender.
Somit wird jede Flasche zu einer Aussage über die Region um die Stadt Tain, seiner Menschen und seiner Geschichte.
Auch wenn sich die exotischsten Fässer in den Lagerhäusern befinden und Aromen aus der ganzen Welt Einfluss haben auf das schlussendliche Produkt in der Flasche – steht man dort am Wasser, am Dornoch Firth mit einem Glas Glenmorangie The Original in der Hand, dann fühlt man sich der Region, den Menschen und „dem dazwischen“ zutiefst verbunden und irgendwie zuhause.
Bei jedem Streben, auch wenn es auf den ersten Blick eventuell nach sehr weit hergeholt aussieht – so bleibt man doch irgendwie immer an dieser einen Stelle, an der William Matheson 1843 aus einer Brauerei eine Destillerie machte.