Ahornsirup gehört auf den amerikanischen Frühstückstisch wie für die meisten von uns die Butter und die Marmelade. Ohne Ahornsirup sind Pancakes nur halb so wundervoll und das Sonntagsfrühstück nicht perfekt. Doch was steckt eigentlich hinter diesem so legendären Süßungsmittel, welches nicht nur durch seine komplizierte Klassifizierung, sondern vor allem durch den hohen Preis hervorsticht? Was macht Ahornsirup so besonders? All das erfährst Du hier in den nächsten 8 Minuten.
Prolog eines Sonntagmorgens
Ganz fein steigt der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nase und lässt mich wach werden. Diese wohlige, energieversprechende Würze breitet sich im Raum aus und verheißt ein wundervolles Frühstück am Sonntagmorgen. Dazwischen Anklänge noch warmer Brötchen und eine himmlische, teigige Süße frischer Pancakes. Ich bin mir nicht sicher, ob ich träume oder schon wach bin, aber der Blick in die Küche verrät mir: ein sonntäglicher Traum wird wahr.
Ich liebe diese gemütlichen Tage, an denen wie von Zauberhand der Frühstückstisch gedeckt wird. Und ich liebe meine Frau, denn es ist Ihre Zauberhand. Während wir unter der Woche kaum frühstücken, weil wir ins Büro müssen und der Kleine schnell in den Kindergarten, so ist das Frühstück am Wochenende heilige Familienzeit. Und süße Pancakes – am liebsten mit Äpfeln im Teig – sind mein persönliches i-Tüpfelchen. Dieses vielleicht amerikanischste aller Frühstücke ist wundervoll süß, infantil und voller Herz. Doch was wären diese perfekten Pancakes ohne einen beherzten Löffel Ahornsirup? Sicherlich auch lecker – aber nicht perfekt. Und witzigerweise ist es eine passende Brücke zum vergangenen Abend, denn da gab es doch diesen tollen Old Fashioned mit Ahornsirup und Walnussbitters.
Ahornsirup ist schon ein beeindruckendes Süßungsmittel, dessen Geschichte uralt ist und dessen Herstellung viel Arbeit erfordert.
Das Terroir des Ahorns – eine Reise nach Nordamerika
Das Ahornsirup typisch amerikanisch ist habe ich ja schon erwähnt. Dies liegt vor allem daran, dass der so wichtige Zuckerahorn, aus dem später der Sirup gewonnen wird, eben genau dort heimisch ist. Es ist das „Ahorngürtel“ oder auch „sugar bush“ genannte Gebiet, dass sich vom Mittleren Westen der USA über Ontario, Quebec bis nach Neuengland erstreckt, in dem die Bäume wachsen. Von hier kommt ausnahmslos alles, was an Ahornsirup produziert wird. Dabei nimmt mit 75%-80% die kanadische Provinz Quebec den wichtigsten Anteil ein, während es auf US-amerikanischer Seite der Bundesstaat Vermont ist, der als Hauptproduzent gilt.
Bedeutsam an dieser Region ist vor allem Ihre lange Frost-Tau-Wechsel-Periode. Das ist der Zeitraum, in dem sich die Temperaturen um den Gefrierpunkt herumbewegen. Dies ermöglicht nämlich erst das Auslaufen des Saftes aus dem Baum.
Indigenes Wissen und alte Techniken
Schon lange bevor die ersten europäischen Siedler den Nordosten Amerikas erreichten, war der Saft des Zuckerahrons eine wichtige Ressource – sowohl für den Konsum der unterschiedlichen Stämme der First Nation als auch für ihren Handel. Noch bevor der Saft zu Sirup eingekocht wurde, nutze man diesen zum Kochen von Gemüse und Fleisch und bereitete so natürlich gesüßte Stews zu.
Um an den Saft des Baumes zu gelangen, wurden mit spitzen Steinen und später metallischen Werkzeugen V-förmige Schnitte in die Rinde geritzt, aus denen dann der Saft austrat. Und dieses grundsätzliche Prinzip wird bis heute angewandt.
Moderne Technik wie früher
Selbst im 21. Jahrhundert hat sich an dem grundlegenden Prinzip der Ernte des Saftes nichts geändert. Weiterhin wird die Rinde des Ahornbaums angeritzt, bzw. angebohrt, damit der Saft austreten kann. Die dafür mindestens 20 Jahre alten Bäume werden ausgewählt, mit einem rund 1cm dickem Loch angebohrt und in dieses wird ein Röhrchen zum Auslaufen des Saftes gesteckt.
Über diesem Rohr wird ein Nagel in den Baum getrieben, an dem ein Eimer befestigt wird, in den dann der Saft hineinfließen kann. Diese Eimer werde händisch geleert und der gesammelte Saft in das sogenannte Zuckerhaus zur Weiterverarbeitung gebracht. Dies ist die äußerst aufwendige und typische Ernte-Methode bei kleineren Produzenten.
Größere Ahornsirup-Hersteller mit Plantagen von mehreren Acres (1 Acre entspricht ca. 0.4 Hektar) „verlegen“ ein Rohrleitungssystem mit flexiblen Kanülen von Baum zu Baum, damit der Saft direkt – ohne Eimer sammeln zu müssen – in das Zuckerhaus gelangt. So kann gerne und schnell ein Gewirr von über 600 km Rohrleitungen auf einer Plantage entstehen.
Das oben erwähnte Loch verschließt sich im Übrigen binnen einer Vegetationsperiode von selbst und es dürfen – um Bio-zertifiziert zu sein – maximal 3 Bohrungen an einem Baum vorgenommen werden. Dafür muss dieser allerdings einen Durchmesser von 60 cm haben.
Eine kurze Saison
Dass der Zuckerahorn seinen Saft so freiwillig abgibt, hat etwas mit dem angesprochenen Temperaturwechsel um 0° Celsius zu tun. Bei Plusgraden entsteht Kohlendioxid innerhalb des Baumes, welches die Zellkammern unter Druck setzt und den Saft herauspresst. Bei leichten Frösten zieht sich dieses Kohlendioxid zusammen und der entstehende Unterdruck zieht neues Wasser aus den Wurzen in den Baum. Dieses abwechslungsreiche Spiel lässt den Saft kontinuierlich aus dem Baum fließen – allerdings nur in einem Zeitraum zwischen Februar und April. Es sind rund vier bis sechs Wochen, in denen die Ernte stattfinden kann und diese kurze Saison ist die ausschließliche Basis des gesamten Geschäfts mit Ahornsirup. Bei zu warmen oder zu kalten Temperaturen stellt der Baum die Produktion des süßen Saftes ein.
Dieses enge Fenster sorgt dafür, dass die Produktionsmengen natürlich limitiert sind, was ein Grund für den hohen Preis des Süßungsmittels Ahornsirup ist. Und es ist auch die berühmte Achillesferse des Geschäftsmodells, denn in Zeiten des Klimawandels und der immer unsteteren Sicherheiten bezüglich gelernter Wetterabläufe weiß niemand so genau, wie sich die Zukunft gestalten wird.
Das Handwerk hinter dem Ahornsirup
Neben dem Fakt, dass es sich bei Ahornsirup also um ein Saison-Produkt handelt, ist es die natürliche Limitation der Produktion pro Baum, die ihn so besonders macht.
Wie bereits erwähnt, müssen die Bäume rund 20 Jahre alt sein, damit Sie überhaupt ausreichend Saft produzieren zudem beläuft sich das Volumen pro Saison pro Baum auf maximal 37 Liter. Das ist zwar eine ordentliche Menge Flüssigkeit (ein Mensch mit 90 kg Körpergewicht kommt auf rund 4,5 – 6 Liter Blut – zum Vergleich), doch durch den weiterführenden Prozess des Kochens reduziert sich die Menge erheblich. Das durchschnittliche Verhältnis von Saft zu Sirup liegt bei 40:1 – das heißt, dass wir für etwa einen Liter Ahornsirup rund 40 Liter Ahornsaft als Ausgangsprodukt benötigen.
Osmose, kochen und Filtern – die Schritte der Herstellung von Ahornsirup
Ist der seltene und süße Saft des Ahorns dann im Zuckerhaus angelangt, kann mit der Weiterverarbeitung begonnen werden, denn auch wenn durch die Photosynthese des vergangenen Jahres schon Zucker im Ahornsaft zu finden ist, so ist der Anteil dessen bei ca. 1-5%; das Ziel jedoch liegt bei 66-67%. Der Weg dorthin ist relativ einfach: man muss das Wasser aus dem Saft, dem späteren Sirup bringen. Und dies geschah früher unisono und heute bei kleineren Herstellern immer noch auf die gleiche Art und Weise: Kochen.
Durch das Kochen des Saftes reduziert sich der Wasseranteil erheblich, doch dies ist auch sehr Energie- und Zeit-aufwendig. Eine moderne Variante dafür ist die sogenannte Umkehrosmose, bei der durch Druck der Saft durch eine sehr feine Membran gepresst wird. Diese Membran ist so fein, dass nur das Wasser hindurch tritt und der Zucker sowie Mineralien und Spurenelemente davor bleiben – natürlich in weiterhin flüssiger Form. Sirup halt.
Gekocht wird immer
Um am Ende jedoch auch die wundervollen, tiefgründigen Karamell-Aromen zu haben, muss Ahornsirup am Ende der Produktion immer ganz klassisch in einer Pfanne gekocht werden. Die hierbei einsetzende Maillard-Reaktion sorgt genau dafür.
Je länger der Sirup kocht, desto dunkler wird er und vor allem entsteht dabei ein Schaum. Diesen gilt es im Sinne eines trübstofffreien und klaren Sirups zu verhindern. Dabei lassen sich entweder künstliche Antischaum-Mittel wie Glycerinmonostearat nutzen oder für Bio-zertifizierte Ahornsirupe Rapsöl.
Filtration
Der fertige Ahornsirup muss dann final nur noch gefiltert werden – was meist mit Kieselgur und Filterpapier geschieht (im übrigen recht analog zur Kühlfiltration von Spirituosen, nur halt mit deutlich höherer Temperatur) und unliebsame Stoffe wie Kalium, Magnesium oder Zink herausfiltert. Alles wichtige Mineralstoffe, die jedoch den Ahornsirup bitter machen würden.
Es ist also eine Menge Arbeit von Nöten, damit aus dem Saft von mehr als einem Baum ein Liter Ahornsirup entsteht – da ist es auch nachvollziehbar, warum dieses besondere Süßungsmittel deutlich hochpreisiger ist als viele andere Zuckersirupe. Aber ich finde, der Ahornsirup und sein unvergleichlicher Geschmack sind dies allemal wert.
Die Klassifikation von Ahornsirup – oder Grade, Buchstaben und Farben
Das große Problem für uns in Europa liegt vor allem daran, dass wir meist nur Handelsware bekommen, die von großen Plantagen hergestellt wird. Die kleinen, spannenden Produzenten wie Runamok-Maple mit ihren wundervollen Experimenten mit verschiedenen fassgereiften Sirupen sind super selten und meist noch viel teurer.
Und selbst bei dem hier erhältlichen, eingeschränkten Angebot können Fragen aufkommen, denn die Klassifikation von Ahornsirup ist alles andere als selbsterklärend. Von daher möchte ich Dir hier kurz und knapp die wichtigste Einteilung erklären, die auf Basis von Farbe, Geschmack und Lichtdurchlässigkeit sowie dem Erntepunkt definiert ist.
Grundsätzlich unterscheidet man Ahornsirup in Grad A und Grad C und die ganze Welt fragt sich, wo Grad B ist. Die Graduierung A, B, C und eigentlich auch D ist eine alte Klassifikation, die sich auf die Farbtiefe des Ahornsirups bezieht. Diese Skalierung hat sich überlebt und Grad B ist in die A-Unterstufen aufgegangen. Grad C gibt es weiterhin und unterscheidet sich von Grad A natürlich in der Farbe aber vor allem in dem Fakt, dass der Saft deutlich später in der Saison geerntet wurde als der A Saft. Dies führt auch dazu, dass Grad C einfach viel dunkler ist. Also kann man sich grundlegend merken: Grad A ist früh geernteter Saft, Grad C spät geernteter Saft.
Aber wie sieht denn nun die aktuelle Klassifikation der Ahornsirupe aus?
Hier unterscheidet man in (Farbe, Geschmack, Lichtdurchlässigkeit in Prozent):
- Gold, zarter Geschmack, min. 75%
- Bernsteinfarben (Amber), reicher Geschmack, 50-75%
- Dunkel, kräftiger Geschmack, 25-50%
- Sehr Dunkel, kräftiger Geschmack, unter 25%
Grundsätzlich kann man sich merken, dass je dunkler ein Ahornsirup ist, desto robuster und schwerer ist sein Geschmack. Je heller er ist, desto feiner und eleganter ist der Sirup.
Vom Frühstückstisch in die Küche und an die Bar
Und vor allem die feinen und eleganten Stufen des Ahornsirups eignen sich für den großen Klassiker des Frühstücks – die Pancakes. Grad A Gold oder Grad A Amber sind die populärsten Klassen für den direkten Genuss und süßen nicht nur Pfannkuchen, sondern auch den Kaffee. Die dunkleren Varianten hingegen eignen sich hervorragend für die Küche zum Kochen oder zum Braten.
Ahornsirup eignet sich wunderbar als Süßequelle für Marinaden (vor allem Wildfleisch) oder zum Glasieren von Wurzelgemüse wie zum Beispiel Karotten als Beilage.
Egal ob als Süßequelle für den Tisch oder in der Küche – Ahornsirup ist eine tolle Alternative zu Zucker oder Honig. Gerne würde ich sagen können, dass es eine vegane Alternative ist, aber da gibt es keine verlässliche Aussage zu.
Neben der Süßung von Speisen eignet sich Ahornsirup im übrigen auch wunderbar für diverse Drinks. Am einfachsten und effektvollsten ist dabei aber ein recht klassischer Drink: der Old Fashioned.
Maple Old Fashioned
Die Bar Fritz’n in Potsdam haben immer im Herbst eine wundervolle Interpretation dieses Drinks auf der Karte mit folgender Rezeptur:
- 55ml Maker’s Mark Bourbon
- 1 Barlöffel (5ml) Ahornsirup Grad A Amber
- 3 Dashes Walnut Bitters
Das Ganze wird auf Eis gerührt und in einem Tumbler auf einem großen Eisball serviert und mit einer Orangenzeste aromatisiert.
Und so kann Ahornsirup – das flüssige Gold der nordamerikanischen Wälder – uns den ganzen Tag über begleiten und das Leben versüßen. Ein perfekter Sonntag.