Crème de Cassis ist einer der berühmtesten Liköre Frankreichs. Genauer gesagt aus dem Burgund. Irgendwie allgegenwärtig, zeitlos und dennoch vergessen. Was es mit diesem Terroir-getriebenen Fruchtlikör auf sich hat, wie Crème de Cassis gemacht wird und vor allem was Du damit alles machen kannst, erfährst Du hier in 7 Minuten.
Crème de Cassis – ein zeitloses Relikt aus Großmutterns Schrank
Zugegeben, Crème de Cassis ist einer jener Liköre, die man selten in der Hand hat. Anstatt moderner Mixologie verbinde ich diesen Fruchtlikör eher mit meinen Großeltern, angesetztem Staub auf der Flasche und Zuckerkristallen am Deckel. Crème de Cassis ist gefühlt nicht mal 80er, sondern eher assoziiert mit dem Charme der Bonner Republik der 1950er Jahre. Das jedoch sieht man in Frankreich ganz anders. Dort ist er – und vor allem der Kir als bekanntester Drink damit – bis heute eine feste Instanz als Apero. Selbst im sonst stets schnellen und modernen Paris. Also Grund genug, die alten Flaschen abzustauben und zu schauen, was hinter dem Etikett und dem süßen Likör steckt. Tür also auf für das schwarze Gold des Burgunds!
Die Schwarze Johannisbeere – von Asien ins Burgund und in den Likör
Ursprünglich stammt die Schwarze Johannisbeere (Ribes nigrum) aus dem Eurasischen Raum und wurde über Handelswege im 16. Jahrhundert nach Frankreich importiert. Dort fand sie schnell eine Heimat im kühlen Burgund, dessen Klimabedingungen nicht nur ideal für berühmte Weine, wie Pinot Noir oder Chardonnay, sind, sondern eben auch für die kleinen schwarzen, enorm Vitamin C reichen Beeren, deren Eigengeschmack immer etwas herber und säuerlicher ist.
Mittlerweile wird die Schwarze Johannisbeere weltweit angebaut und selbst im Garten meiner Eltern finden sich einige Sträucher, deren schwarze Früchte wir als Kindern nicht wirklich genossen haben. Viel zu Sauer und zu herb – doch als Marmelade oder Sirup eine wahre Aromenbombe. Und natürlich liegt da eine‚ den Erwachsenen vorbehaltene Nutzung unter Einbeziehung von Alkohol und Zucker nahe.
Von Ratafia de Cassis zum Crème de Cassis
Schon im 18. Jahrhundert wurde aus der Frucht unter Zugabe von Alkohol und Zucker ein Getränk mit dem Namen Ratafia de Cassis produziert. Ratafia wurde in der Frühen Neuzeit europaweit hergestellt und stellte die Vorläufer von Frucht- und Kräuterlikören dar, welche durch Mazeration hergestellt wurden.
Im Burgund war es vor allem Wein sowie importierter Weinbrand, dem man die Früchte des Landes zugab. Und da man aus den lokalen Weintrauben schon damals berühmte Weine erzeugte, nutzte man eine weitere populäre Frucht der Region: Cassis – die schwarze Johannisbeere.
Ratafia wurde daheim hergestellt und war keinesfalls als kommerzielles Produkt gedacht. Dies änderte sich für Cassis erst im Jahr 1841. Damals entschied sich Auguste-Denis Lagoute in der Hauptstadt des Burgunds – Dijon – einen Ratafia herzustellen, mit dem er ein Geschäft begründen konnte. Und um diesen besser zu vermarkten, nannte er sein fertiges Produkt Crème de Cassis, wobei die Formulierung Crème schon damals auf die luxuriöse Menge des verwandten Zuckers verwies.
Schon wenige Jahre später stellte man 250 Hektoliter dieser Spezialität her. Sicherlich war auch die einsetzende Reblausplage Ende des 19. Jahrhunderts für den erfolgreichen Verkauf des Likörs förderlich.
Die Firma Lagoutes gibt es unter dem Namen Lejay-Lagoute noch heute und sie stellt weiterhin einen der besten Liköre des Burgunds – und damit der Welt – her.
Zur Herstellung von Crème de Cassis
Die besagte Herstellung des Likörs ist – wie so oft in Frankreich – gar nicht so kompliziert. Es geht wie immer, um die Qualität der verwendeten Produkte.
Die Früchte der Schwarzen Johannisbeere werden meist im Juni und Juli von Hand geerntet und müssen innerhalb von 24 Stunden verarbeitet werden, um die Qualität und die Finesse der Frucht zu behalten. Dafür werden die Beeren schockgefrostet um anschließend langsam auf -5°C gebracht zu werden. Nun werden die Früchte erstmals mit Alkohol besprüht, um ganz langsam aufzutauen. Sobald dies geschehen ist, legt man sie in Neutralalkohol für 5 bis 8 Wochen zur Mazeration ein.
Das fertige Mazerat wird dann sehr schonend, pneumatisch abgepresst, um so wenig wie möglich Bitterstoffe aus den Schalen in den entstehenden Likör zu überführen. An dieser Stelle spricht man keinesfalls schon von Crème de Cassis – nach dem Abpressen wird der ungesüßte Alkohol vierge melange genannt. Der jungfräuliche Blend.
Nach der Pressung ruht die vierge melange noch ca. 12 Stunden, damit sich alle Sedimente absetzen können und nur der feine, aromatisierte Alkohol abgezogen werden kann. Nun kommt der Arbeitsschritt, bei dem durch die Zugabe von Zucker der Likör entsteht. Es müssen das mindestens 400 Gramm pro Liter sein. Daher auch der Name Crème als Verweis auf die enorm hohe Zuckerdosage. Leider gibt es über die gesamte Herstellung von Crème de Cassis keine Regel über die Mindestmenge an Frucht pro Liter – die besten Hersteller verarbeiten jedoch bis zu 600 Gramm Frucht.
Das schon erwähnte Haus Lejay-Lagout geht bei der Herstellung ihres Crème de Cassis noch einen Schritt weiter. Sie erzeugen schon im Frühjahr eine Essenz aus einigen Knospen der Schwarzen Johannisbeere, indem sie diese in 30% Vol. Alkohol für 30 Tage mazerieren. Diese äußert vegetale Essenz wird mit nur wenigen Tropfen jeder Flasche zugesetzt, um das Aroma der Frucht noch zu intensivieren. Ein sehr kostspieliger Prozess, da aus jeder Knospe ja auch eine Traube schwarzer Beeren entstehen könnte. Aber Qualität ist das oberste Gebot!
Eingestellt wird der fertige Likör dann mit mindestens 15% Vol. in der Flasche, wobei es auch Hersteller gibt, die 20%Vol. oder etwas mehr abfüllen.
Exkurs: Wie die Rewe AG im Streit Europäisches Recht manifestierte
An dieser Stelle sei ein kurzer Exkurs eingefügt, der auf das Thema Alkoholstärke aufspringt. Laut EU-Gesetz muss Crème de Cassis mit mindestens 15%Vol. Alkohol abgefüllt werden (Anmerkung: oft werden diese EU-Gesetze aus bestehenden, mit dem Produkt verbundenen Praktiken abgeleitet und werden nicht, wie man sooft annimmt gewürfelt).
Und genau diese Bestimmung führte in den 1970er Jahren zu einem Rechtsstreit zwischen der Kölner Firma Rewe AG und der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein der Bundesrepublik Deutschland. Die Rewe AG wollte nämlich gerne einen Crème de Cassis in ihren Regalen anbieten, doch die Bundesmonopolverwaltung verbot dies, da in Deutschland der Mindestalkoholgehalt für Frucht-Liköre bei 25% Vol. lag. Die Rewe AG sah dies als Einfuhr- und Handelsbeschränkung an und klagte vor dem Europäischen Gerichtshof – mit Erfolg!
Die Rechtssache 120/78 EuGH wurde am 20.02.1979 zugunsten der Rewe AG entschieden, da die Richter übereinstimmend feststellten, dass durch das Handeln der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein die Freiheit des innereuropäischen Warenhandels eingeschränkt würde und diese deutlich höher anzusehen sei als innereuropäische, regionale Unterschiede in der Produktion von Genussgütern. Dies führte wohl auch dazu, dass seit 1991 in Deutschland der Mindestalkoholgehalt für Liköre auf 15%Vol. reduziert wurde. Bis auf Eierlikör: der darf sogar mit 14% vol. abgefüllt werden. Das Leben muss ja schließlich weitergehen. Exkurs: Ende.
Frankreich, Terroir und die Appellationen – eine typische Qualitätsgeschichte
In Frankreich interessierte man sich natürlich für diesen Rechtsstreit, aber ich glaube nicht, dass bei einem anderen Ausgang die lokalen Regeln für Crème de Cassis geändert worden wären. Zu stolz ist man auf dieses historische und vor allem regionale Produkt. Und ganz typisch Frankreich ging man zuvor sogar einen Schritt weiter und erließ Appellationsregeln für Crème de Cassis.
So führte man schon am 21.12.1923 die Appellation Dijon-Cassis ein, die zum Schutze des Produktes exakt vorschreibt, aus was, wie und vor allem wo Crème de Cassis de Dijon hergestellt werden darf. Aus dieser Appellation heraus wurde spezifizierend 2013 die IGP (Indication géographique protégée) Crème de Cassis de Dijon erschaffen und wenig später – 2015 – die IGP Crème de Cassis de Bourgogne.
Die Früchte für den Likör aus Dijon wachsen auf einem besonderen Boden aus Lehm und Kalk, was dazu führt, dass die Liköre final etwas säuregeprägter und herber erscheinen, während die Produkte der IGP de Bourgogne deutlich marmeladiger und reichhaltiger wirken.
Dabei geht es um den Schutz der individuellen Ausprägung eines Produktes, welches durch das Terroir bestimmt ist. Dies kennen wir unter anderem vom Champagner, dem Calvados oder natürlich dem Cognac. Doch genug der theoretischen Betrachtungen. Lass uns flaschenweise Crème de Cassis öffnen und schauen, was man damit alles machen kann!
Apero und Digestif – über Pflicht und Kür des Crème de Cassis
Natürlich kann man Crème de Cassis pur trinken. Ich weiß, dass mein Großvater abends gerne ein Glas des süßen Likörs genossen hat und freudig sind mir die Erinnerungen, wie lustig er war, wenn es mehr als ein Glas wurde.
Gerade auf Eis, als Digestif, macht der Crème de Cassis viel Freude und passt ganz hervorragend, wenn es etwas weniger alkoholisch, dafür aber fruchtig sein darf. Die große Bühne jedoch stellt der Apero dar. Und da ist es der legendäre Kir oder gar der Kir Royal, den man unbedingt probieren sollte!
Während der Kir ein Mixgetränk mit stillem Weißwein ist, erhebt er sich zum Kir Royal durch Champagner. Wobei mit etwas Augenzudrücken auch Crémant erlaubt ist. Alles wichtige über den Kir erfährst Du im Übrigen hier.
Crème de Cassis in Drinks – Ein Comeback aus Omas Buffet?
Aber auch in komplexeren Drinks und Cocktails kann das schwarze Gold des Burgunds wundervoll wirken. So gibt es aus den 1946 erschienenen Cocktailbuch von „Trader Vic“ Victor Bergeron (er erfand angeblich auch den Mai Tai) einen Drink mit Tequila, Crème de Cassis, Limettensaft und Ginger Ale. Ich weiß, dass wir den El Diablo in den 2000er Jahren noch auf der Bar Karte hatten. Irgendwie jedoch scheint er etwas in Vergessenheit geraten zu sein – Zeit dies zu ändern!
Rezept El Diablo
- 50ml Reposado Tequila
- 15ml frischer limettensaft
- 15ml Crème de Cassis
- Ginger Beer
Tequila, Cassis und Limettensaft in ein Longdrinkglas auf Eis gießen, umrühren, mit dem Ginger Beer auffüllen und anschließend mit Limette garnieren.
Eine meiner Lieblingsverwendungen von Crème de Cassis in einem Drink ist in einem Cognac Old Fashioned. Dabei nimmt der Likör die Rolle des Zuckers ein und erzeugt einen absolut perfekten Drink für den Herbst. Und schließlich gibt es ja auch einen Oscar für den besten Nebendarsteller.
Autumn Old Fashioned
- 5ml Crème de Cassis (1 Barlöffel)
- 50ml Cognac (Remy Martin 1738 oder gar Remy Martin XO)
- 1 dash Orange Bitters
- 1 dash Angostura Bitters
Alles auf Eis verrühren und in einen Tumbler mit einem großen Eiswürfel abseihen sowie mit einer Orangenzeste garnieren.
Weg mit dem Staub – her mit dem Crème de Cassis
Du siehst, mit diesem oldschooligen Fruchtlikör kann man eine ganze Menge anstellen. Und das einzige, was man machen muss, ist, eine Flasche davon zu öffnen. Zum Glück ist er auch nicht so hochpreisig und man bekommt ihn schon ab 10€.
Folgenden Marken kann ich da (besonders) empfehlen:
- Cassissée Crème de Cassis de Dijon von L’Héritier-Guyot (bestes Einstiegsprodukt)
- Crème de Cassis de Dijon von Gabriel Boudier
- Giffard Cassis Noir de Bourgogne (Preisleistungssieger für mich)
- Noir de Borugogne Crème de Cassis von Lejay-Legout (der große Klassiker).
Gerade der Herbst ist perfekt geeignet für Crème de Cassis, denn neben Drinks kann man damit auch ganz hervorragend Saucen für Wild bzw. dunkles Geflügel verfeinern oder eine wundervoll herbstlich-fruchtige Salat-Vinaigrette, z.B. für einen Rotkohlsalat, zaubern.
Also trau Dich und probiere Ihn aus, den Likör unserer Großeltern, denn eines ist dieser ganz sicherlich: Zeitlos und irgendwie immer ein bisschen burgundisch extravagant.
Also viel Freude!
Die Nennung der Marken erfolgt aus freien Stücken – keine dieser Firmen steht in einem Zusammenhang mit diesem Artikel.
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