Als Nicht-Münchener über eine gastronomische Instanz jener Stadt zu schreiben ist der berühmte Tanz auf dem Vulkan. Die Münchner haben wie kaum eine andere Stadt einen besonderen Bezug zu Ihren Restaurants, Biergärten und Bars. Davon gibt es in der bayerischen Hauptstadt eine Menge – und viele haben Legenden-Status. Eine dieser gastronomischen Legenden ist das Pacific Times in der Baderstr. Und das nunmehr schon seit 25 Jahren.
Ich glaube, die Besonderheit dieses Ortes lässt sich aus vielen Perspektiven beschreiben – diese hier entsteht aus Sicht eines auswärtigen Gastes mit Getränkeindustrie-Hintergrund. Und ja, dies ist eine hier relevante Sichtweise.
Branchentreffen im Pacific Times
Kennengelernt habe ich Andi Till und sein Pacific Times in der Zeit, als ich noch Brand Ambassador für Ardbeg und Glenmorangie war. Dieses “Damals” ist in Kalendern gar nicht so lange her, doch gefühlt ist es eine Ewigkeit. Diese Ewigkeit ist vor allem getrieben durch die familiäre Herzlichkeit, mit der ich schon seit Jahren hier im Pacific Times empfangen werde. Das muss einfach Generationen her sein. Wahrscheinlich sind es 10 Jahre.
Eine der großen Messen dieser Zeit war und ist heute noch die Finest Spirits in München. Dort traf sich die deutsche Spirituosenszene zum jährlichen Stelldichein und einer der Fixpunkte war das Pacific Times. Ich glaube damals angetrieben durch einen gewissen Christian Balke – Brand Ambassador für Havana Club Rum. Seine Penetranz in der Betonung der exzeptionellen Qualität des Tatars führte dazu, dass sich peu à peu die gesamte Szene um Tische in dem Mischkonzept aus Bar und Restaurant – man möge mir das Wortspiel verzeihen – balgte.
Und er hatte Recht! Aus welchem Grund auch immer, aber das Tatar des Pacific Times ist seinem Ruf nach in der Spirituosenbranche unantastbar. Egal ob Hamburg, Berlin oder Pott. Messe, Termine oder Freunde – wenn es nach München geht, dann geht es auf ein Tatar zu Andi Till.
Und bis heute ist es mehr als realistisch – vielmehr im besten Sinne des Wortes unabwendbar, jemanden aus dieser Branche hier zu treffen. Während ich diesen Text schreibe und auf das besagte Tatar warte, sitzt am Nebentisch eine Kollegin von Campari.
Das beste Tatar der Welt
Kommen wir auf den gemeinsamen Nenner zu sprechen: das Tatar.
Absolute Aussagen sind immer mit Vorsicht zu genießen und zugleich eine meiner geheimen Spezialitäten. Und gerne bin ich bereit, eine dieser Aussagen zu treffen, denn es ist das beste Tatar der Welt. Also meiner Welt. Vielerorts habe ich kleingeschnittenes Rindfleisch probiert, doch hier ist es besonders. Woran es liegt? Darüber lässt sich vortrefflich streiten und mutmaßen. Verraten wird es nicht. Auf die Frage nach dem wie gibt es ein charmantes:
Wir wichsen nicht rum. Wir machen einfach gutes Fleisch, Schalotten, Senf, Fleur de Sel, Öl und Kapern
Andreas Till
Apropos charmant. Vielleicht ist es ja das.
Willkommen im Wohnzimmer
Es ist auf jeden Fall ein essenzieller Bestandteil des Erfolgs des Pacific Times. Die Menschen, die hier arbeiten eint eine solch tiefe Hingabe zu ihrem Job, die sich vielleicht profan als Professionalität betiteln ließe. Doch es ist mehr. Trotz voller Terrasse, doppelten Buchungen und Bonleisten über den Tresen hinaus wird hier mit Herzlichkeit und Blick für die Bedürfnisse des Gastes gearbeitet, wie ich es selten zwischen Sylt und Garmisch erlebt habe.
Als Gast hier hat man das Gefühl, nicht nur willkommen, sondern irgendwie erwartet zu sein. Ich bin vielleicht fünf Mal im Jahr hier und dennoch fühlt es sich an, wie in die Bar um die Ecke zu kommen, in der man weiß, was ich eh bestelle. Eine latente Jovialität und Leichtigkeit im Service. Ein lockerer Spruch, ohne banal zu sein und dennoch immer akkurat. Wer aus professioneller Sicht einmal Gastgebertum in Perfektion erleben möchte – hier ist der Ort dafür!
Campari-Modus: AN !
Ein aus meiner Sicht bestechendes Argument ist tatsächlich die Leichtigkeit, die einen an eher mediterrane Gefilde denken lässt. Ein München-Moment par excellence.
Ich liebe die „Drei großen Lügen“ der Süddeutschen Zeitung. In Bezug auf München waren das Nördlich, Stadt, Italien. Tatsächlich eines meiner Lieblings-Bonmots über die Isar-Metropole.
Das Pacific Times ist weit weg davon, ein italienisches Restaurant zu sein und dennoch gibt es einen Moment, der italienischer nicht sein kann. Und das ist der Haus-Apertitiv: Campari Seltz.
Die Marke Campari ist in München allgegenwärtig und passt in das selbstveordnete Bild der Menschen dieser Stadt. Ehrlicherweise muss man gestehen, dass es keine andere deutsche Stadt schafft, die Aperitif-Kultur so zu leben, wie es zwischen Allianzarena und Unterhachingen zelebriert wird. Ein elementarer Bestandteil dabei ist der leuchtend-rote Bitterlikör aus Mailand. Hier im Pacific Times ist es der Seltz – eine Campari-Variation, bei der der Bitterlikör mit einem starken Schuss Soda-Wasser aufgeschäumt serviert wird. Auch wenn dies auf den ersten Blick trivial erscheint, so ist es tatsächlich eine Kunst, diese Einfachheit perfekt zu servieren. Und dies hat man im Pacific Times zur besagten Kunst erhoben. Serviert werden sie in weißen Bar-Jacketts vergangener Tage, die mit einer Nonchalance getragen werden, dass sich das Ticket nach Florenz nahezu als obsolet erweist. Auch etwas, das es so nur noch in München gibt. Oder das zumindest hier nicht aufgesetzt wirkt. Und es ist Pflichtprogramm. Also der Campari Seltz.
Flanieren
Und dieser Drink eignet sich hervorragend, um eine gehörige Portion Leichtigkeit des Seins an den Tag zu legen. Und gerade im Sommer passt dies an diesen Ort. Hier, wo sich Baderstraße und Buttermelcherstraße treffen, am Gärtnerplatzes pulsiert die Stadt. Zwischen Menage-Bar und Zephyr (zwei auf das sicherste empfohlene Bars) pulsiert ein Leben zwischen dem (von Auswärtigen) erwarteten Münchener Chic und einer studentischen Szene, die auf dem Papier so klingt, als würde es sie auch in Berlin geben können. Nein. Völlig anders. In erster Linie ist es nachbarschaftlich. Aber das ist meine Interpretation und kann auch an der offenherzig charmanten Art der Menschen hier liegen.
Schlussendlich ist es egal. Das Schönste ist das Gast-Sein hier im Pacific Times. Und das genieße ich jedes Mal, wenn ich in München bin. Mitsamt Tatar und Campari Seltz. Und den Menschen um mich herum.
Dinner-Empfehlung im Pacific Times
Tatar und Campari – genau das sollte man hier bestellen. Und egal was es links und rechts davon gibt: ob Drinks, Wein oder Essen – probiere es aus. Aber zuerst das Tatar. Und zum Dessert einen doppelten Espresso und ein Glas Port.
Das werde ich jetzt auch machen. So wie jedes Mal, wenn ich in München bin. Und nein, es gibt keine Gags darüber, dass es jetzt Pacific Times ist. Denn dieser Ort geht immer. Und ist zeitlos. Und einen Besuch wert. Oder mindestens fünf im Jahr.