Dieser Artikel wurde ursprünglich auf gastivo.de veröffentlicht. Es geht um die richtige Wahl des Glases für Champagner und ehrlicherweise alle anderen Schaumweine. Es werden die Vor- und Nachteile der Flöte, des Weinglases und der Schale besprochen und am Ende ein Tip gegeben, wie Du Champagner am besten genießt. Die durchschnittliche Lesezeit beträgt 4 Minuten.
Champagner! Eine Bestellung, deren reiner Ausruf schon glückseliges Wohl produziert. Eine Bestellung, der eine unbändige Lust zuvorkommt und der ein erotisches Glücksgefühl folgen kann – nicht muss. Denn so rein und so nahezu vollkommen dieser beste, dieser königliche Wein auch sein mag, so fatal kann sein Genuss sich darbieten in der Wahl des falschen Glases. Champagner ist Handwerk zur Kunst erhoben – doch sein Genuss erfordert genau das: Respekt vor der Kunst und Verständnis des Handwerks.
Nicht nur in der Lagerung (kühl, liegend, dunkel und ohne Erschütterung) und in der Darbietung des Champagners liegt der Schlüssel zu den besonderen Momenten, welche dem Champagnergenuss eigen sind, auch und vor allem die Wahl des Glases ist von elementarerer Bedeutung, stellt das Glas doch die Bühne bereit, auf – oder besser in der sich der Champagner präsentieren soll. Und diese Bühne gilt es wohl zu wählen, kann sie doch zu – sensorischer – Höchstleistung beitragen oder zu vernichtender Blässe. Doch so wie eine kleine Bühne ihren Reiz besitzt, so überwältigend kann die Royal Albert Hall in London sein. Es gilt also das alte Prinzip „form follows function“ und die Frage muss lauten, was möchte ich wie genießen.
Eine Ehrerbietung an Lust und Leidenschaft
Es sind manchmal Szenen eines Films, die für immer eingebrannt bleiben und deren Dichte und Intensität man sich kaum entziehen kann. Die Neuverfilmung des Fitzgerald Klassikers „The great Gatsby“ ist für mich voll davon. Die enthemmte Entflammbarkeit der Partys im Hause des geheimnisvollen Gatsby, dieser Rausch aller Sinne – all dies sind perfekte Momente für Champagner – wie im Film ja auch eindrucksvoll gezeigt wurde. Jetzt stelle man sich jedoch vor, alle würden im höchsten Sinne degustatorisch am Glas riechen und über Aromen sinnieren. Das widerspräche der Energie, welche den Raum erfüllt. Manchmal muss Champagner über sich selbst erhaben sein und nur der sinnentrückenden Ekstase dienen. Und dafür gibt es genau ein Glas: die Champagner-Schale. Diese nunmehr altbackende Glasform stellt unumgänglich die Erotik des Getränks in den Mittelpunkt. Was wären die 1920er Jahre ohne Champagner? Die Antwort ist einfach: deutlich ärmer! Und dieses klassische Glas ist fester Bestandteil der Sehnsucht nach einer besseren Vergangenheit. Es spiegelt die Leichtigkeit des Seins wider, das unabdingbare Wollen eines hedonistischen Zeitgeistes.
Sensorisch ist die Schale weniger zu empfehlen, da sie auf Grund der enormen Oberfläche sehr viel Kohlensäure entweichen lässt und die Aromen nicht konzentriert; aber im Rausche einer solchen Nacht trinkt man bekanntlich eh nicht allzu langsam und konzentriert. Schon gar nicht Champagner! Nach berühmtem Vorbild entwarf die britische Mode-Ikone Jane McAdam Freud eine Champagner-Schale nach dem Abdruck der linken Brust von Kate Moss, welche es exklusiv im Londoner Restaurant Mayfair 34 gibt. Schon dafür lohnt sich eine zweite Flasche.
Zwischen Verstand und Technik
Die meisten Champagner werden hierzulande wohl immer noch in Flöten ausgeschenkt. Diese zarten, langhalsigen Gläser sind wohl das bekannteste Glas für Schaumwein – und das komplizierteste, wenn nicht gar das Unnötigste! Die Sektflöte – lang und schmal – mit dem Charme einer Betriebsweihnachtsfeier im Versicherungsbüro dient wenigem. Sensorisch eher engstirnig – man bekommt dort einfach seine Nase nicht hinein – und geschmacklich eher trivial stellt sie uns zumeist vor die Herausforderung, dieses Glas richtig zu polieren. Wer jemals jene fürchterlichen Silvester-Flöten vor sich hatte, wird mir beipflichten. Einzig eine detail-verliebte, schmale Perlenkette voller Kohlensäure ziert diese Glasform – aber auch nur, wenn das Glas voll ist. Doch wirklich dienlich ist die Flöte diesem besonderen Wein nicht.
Zurück zum Wein
Und genau darüber muss man sich Gedanken machen! Champagner ist und bleibt ein Wein – mit tänzelnden Bläschen – aber schlussendlich ein Wein. Und ein Wein gehört in ein Weinglas. Diese „back-to-the-grapes“ Bewegung wurde in den letzten Jahren immer populärer. Auch wenn es für einige noch befremdlich erscheint, einen Champagner aus einem Wein-Glas zu trinken, so macht es vor allem sensorisch Sinn. Die Bauchigkeit ermöglicht ein fantastisches Bouquet und die elegante Verjüngung am Rand hilft dabei, konzentriert die Aromen in die Nase zu bekommen. Besonders bei körperreichen Weinen wie einem Bollinger – vor allem der Rosé ist aus einem Burgunder-Glas atemberaubend – oder dem vielleicht heimlichen König aller Champagner: Krug – unterstützt das Volumen des Glases enorm die Größe, Opulenz und Genialität dieser Champagner.
Ein besonders zu empfehlendes Glas, welches eigentlich alle Anforderungen meistert, ist das Gabriel Glas Gold. Eine wahre Allzweck-Waffe des Genusses, neigt es doch auch dazu, dem Wein sogar noch Komplimente zu machen. Für die großen Schwergewichte des Champagners empfiehlt sich das Burgunder Glas von Zalto-DenkArt. Doch Vorsicht – dies ist wahrlich Aromen-Arbeit.
Der Kompromiss
Wer nunmehr aber nicht die aromatischen Extreme ausloten, sich jedoch auf sicherem Terrain bewegen möchte, dem seien die immer mehr in Mode kommenden Champagner-Tulpen empfohlen. Eine sehr elegante Mischung aus Weinglas und Flöte für den entspannten, aromareichen Genuss und mittlerweile häufig auch von den größeren Champagnerhäusern als Präsent verfügbar.
Zwei Dinge haben sie alle gemein. Keines dieser Gläser sollte aus dem Kühlschrank kommen, sondern immer poliert zimmertemperiert dargeboten werden. Und zweitens: Champagner sollte man immer mit Genuss trinken! Sich selbst, der Begleitung, der Zeit und dem Champagner bezüglich.